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Das Orakel von Antara

Das Orakel von Antara

Titel: Das Orakel von Antara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Galen
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wollte fortlaufen, doch die riesigen Stiefel machten das Manöver nicht mit, und sie fiel der Länge nach hin. Yorn sprang zu, hob sie auf und stellte sie wieder auf die Füße.
     
    „Verzeih uns, Vanea!“ sagte er und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. „Du siehst nicht furchtbar, sondern nur niedlich aus - wie ein Kind, das sich Vaters Sachen ausgeborgt hat. Komm, iss und gräm‘ dich nicht weiter! Hier in der Wildnis ist es egal, wie du aussiehst. Aber ich verspreche dir, dass du zu Hause das schönste Kleid bekommst, das bei unseren Frauen aufzutreiben ist.“
     
    Er drückte sie am Feuer nieder, und Reven reichte ihr einen vollen Teller. „Wenn ich uns so ansehe“, brummte er verlegen, dann kann ich mir vorstellen, dass wir auch nicht gerade aussehen, als gingen wir zum Tanz. Kandons Haare sehen aus wie ein Reisigbesen und du, Yorn, bist auch nicht viel hübscher mit deinem Stoppelbart.“
     
    „Fass' an deine eigene Nase!“ maulte Kandon. „Bei uns sind die Bartstoppeln blond, aber du siehst mit deinen schwarzen Borsten wie ein Wildschwein aus.“
     
    Unwillkürlich griff Reven an sein Kinn, und das sah so spaßig aus, dass nun auch Vanea lachen musste. Nachdem sie alle halbwegs gesättigt waren, erbot sich Kandon, für eine verbesserte Auflage der ersten Mahlzeit zu sorgen, während Reven neues Holz suchen wollte. Yorn half Vanea derweil, die Kleidungsstücke ein wenig zu richten. Er band einen Riemen um ihre Taille, damit Revens Hose fest saß und schlug die Ärmel des Hemdes um, die Vanea ständig auf die Finger rutschten. Dann betrachtete er kopfschüttelnd Kandons Riesenstiefel.
     
    „Nein, das geht nicht!“ sagte er. „Damit würdest du bei jedem Schritt stolpern. Da müssen wir etwas anderes finden.“
     
    Kurzerhand ergriff er eine der Filzdecken, die sie im Lager zurückgelassen hatten, und schnitt sie in Streifen. Dann zog er Vanea die Stiefel herunter und band ihr geschickt die Filzstreifen um die Füße. Anschließend schlang er ihr noch einen dünnen Lederriemen kreuzweise über die Waden, um den über die Hosenbeine hochgewickelten Filz zu befestigen. „So!“ sagte er zufrieden. „Das sind warme, weiche Stiefel, in denen du auch gut wirst reiten können. Zum Marschieren wären sie zwar weniger geeignet, da sie keine festen Sohlen haben, aber wir haben ja auch nicht vor, zu Fuß zu gehen. Nun, gefällt es dir?“
     
    Vanea stand auf und lief einige Schritte hin und her. „Wunderbar!“ rief sie. „Ist das herrlich, wieder einmal ein bisschen laufen zu können nach der langen Fahrt im Schlitten!“ Sie sah zu ihren Füßen hinunter. „Und es sieht sogar recht hübsch aus“, lächelte sie. „Ich danke dir, Yorn!“
     
    Sie beugte sich über ihn, und ehe er sich versah, hatte sie einen Kuss auf seine Stirn gedrückt. Dann sprang sie hinter Reven her, der weit hinten im Felskessel nach Holz suchte. Yorn sah verblüfft auf Kandon, der schmunzelnd am Feuer saß und im Topf rührte.
     
    „Warum bin ich nur nicht auf die Idee mit den Stiefeln gekommen?“ feixte Kandon. „Diese Belohnung hätte ich mir auch gern verdient.“
     
    „Altes Lästermaul!“ brummte Yorn. „Sie hat sich doch nur bedankt. Was ist daran so ungewöhnlich?
     
    „Nun, ich habe unseren Schuster noch nie geküsst, wenn er mir neue Stiefel gemacht hat“, kicherte Kandon, „und seine sind viel besser als die, die du zustande gebracht hast.“ Dann jedoch wurde er ernst. „Hast du bemerkt, dass Vanea sich genauso benimmt wie jede unserer Frauen? Wenn ich nicht wüßte, dass sie eines jener rätselhaften Nebelwesen ist, könnte ich es fast vergessen. Sie ist ebenso besorgt um ihr Aussehen wie jedes unserer Mädchen, obwohl das bei den vielgestaltigen Wesen ihres Volkes doch wohl von nebensächlicher Bedeutung war.“
     
    „Sie ist keines dieser Nebelwesen mehr, sie ist ein Mensch“, antwortete Yorn, „zumindest zum größten Teil. Sieh sie doch an! Sieht sie denn nicht aus wie ein Mensch? Und spürst du noch etwas von der seltsamen, furchterregenden Aura, die sie in ihrem Land umgab? Nein, Kandon, das ist kein Nebelwesen mehr, das ist ein schönes, junges Mädchen, eine Frau, die das Herz eines Mannes wohl höher schlagen lassen kann.“
     
    „Häng' dein Herz nicht so sehr an sie!“ warnte Kandon. „Wer weiß, ob nicht doch noch viel mehr von jenem seltsamen Volk in ihr steckt als du denkst, und du das eines Tages vielleicht mit Entsetzen feststellen musst. Was wissen wir denn von

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