Das Orakel von Antara
aufbrachen denke ich darüber nach, wie die Moradonen unser Versteck finden konnten. Was nun, wenn ihre Späher Kobar auf dem Grund der Schlucht fanden und er noch lebte? Kobar war kein Verräter, aber im Fieber mag er den Moradonen doch einiges gesagt haben.
Rechnet einmal nach: Kobar verschwand kurz bevor wir aufbrachen. Er kon nte noch nicht wissen, wann Nith uns auf den Weg schicken würde, aber er wusste, dass die große Aufgabe bevorstand. Vielleicht hat er den Moradonen, die ihn marterten, entgegengeschrien, dass bald jemand im Zeichen Saadhs ihrer Willkür ein Ende machen würde. Wenn ihr den Weg der Späher zurück nach Blooria, das Rüsten der Truppe sowie ihren Weg zurück zu uns rechnet, kommt ihr in etwa auf die Zeit des Überfalls. Das ist die einzige Erklärung, die ich mir für all die Vorfälle ausdenken kann, denn ein Verräter hätte Xero auch von dir berichtet, Yorn, und der König würde genau wissen, nach wem er suchen muss.“
„So kann es gewesen sein“, gab Yorn zu, „jedenfalls klingt deine Vermutung sehr wahrscheinlich. Vielleicht werden wir eines Tages erfahren, ob es die Wahrheit ist. Jetzt aber kommt, die Zeit drängt!“
An diesem Tag erreichten sie das Tal, das Kandon beschrieben hatte. Yorn suchte nahe am Flusslauf einen der großen Felsbrocken aus weichem Gestein aus, die überall im Tal verstreut lagen. Der Stein war größer als die anderen und wandte eine glattgeschliffene Seite nach Norden. In diese Fläche ritzte Yorn mit seinem Dolch die gebündelten Blitze Saadhs, genauso, wie er das Zeichen auf seiner linken und Reven es auf seiner rechten Brust trug. Jeder Niveder, der die Gravur sah, würde wissen, wer sie geschnitten hatte. Dann rieb Yorn die Zeichen mit Sand aus dem Flussbett, so dass sie ihr neues Aussehen verloren. So mochten die Moradonenkrieger denken, sie seien vor langer Zeit dort eingeschnitten worden, zumal ihnen Xero wohl kaum das Zeichen und seine Bedeutung erklärt haben würde. Dann bestiegen die Freunde wieder ihre Pferde, und es ging in höchster Eile weiter, der Stadt der Feinde entgegen.
*****
Nach etwa vier Wochen unermüdlichen Ritts stießen Yorn und seine Begleiter auf die er sten moradonischen Ansiedlungen. Sie wagten jedoch nicht, sich ihnen zu nähern, obwohl sie aus der Ferne oft antarische Sklaven bei der Feldarbeit gesehen hatten. Meist umritten sie bei Dunkelheit die Gehöfte und Dörfer und lagerten abseits an versteckten Stellen. Doch je näher sie der Hauptstadt kamen, desto schwieriger wurde es für die Männer, Wild als Verpflegung aufzutreiben. Die Moradonen betrieben die Jagd zu ihrem Vergnügen und hatten daher im Umkreis von Blooria nicht viel Jagdbares übriggelassen.
Als sich die fünf daher eines Abends wieder nur einen mageren Hasen teilen mussten, sagte Yorn:
„So geht es nicht weiter! Wir sind nahe der Stadt und können jetzt nicht mehr anders, als offen zu reiten. Morgen Abend müssen wir uns bemühen, ein Gehöft abseits eines Dorfes zu finden. Dort werden wir versuchen, Unterkunft für die Nacht zu bekommen. Haltet euch dann genau an das, was wir besprochen haben. Kandon und ich sind Leibsklaven eines reichen Händlers in Blooria. Wir haben den Auftrag, Reven und Vanea zu unserem Herrn zu bringen, der sie einem Handelsfreund abgekauft hat. Vanea, denk daran, dass Reven dein Bruder ist! Es ist nur gut, dass wir von den wenigen, die aus der moradonischen Gefangenschaft fliehen konnten, recht gut darüber Bescheid wissen, dass es einigen Sklaven gestattet ist, sich frei zu bewegen. Dass dies natürlich nur die sind, die den Moradonen ergeben sind, wird Kandon und mir bei unseren Landsleuten nicht gerade viel Sympathie einbringen. Daher fällt Reven die Aufgabe zu, durch geschicktes Fragen herauszubekommen, wer uns in Blooria vielleicht weiterhelfen kann. Wir brauchen die Hilfe unserer Leute, um in den Palast zu gelangen, so viel ist sicher. Du musst auf jeden Fall herausfinden, Reven, wem wir dort vertrauen können.“
„Sei unbesorgt!“ antwortete Reven. „Ich werde das schon machen. Vanea soll aber so wenig wie möglich sprechen, damit sie sich nicht dadurch verrät, dass sie so wenig von unserem Volk weiß.“
„Ich werde mich nicht verraten“, sagte Vanea schnell, „denn ich weiß über euer Volk genau so viel wie Kandon.“
„Genau so viel wie ich?“ fragte Kandon ungläubig. „Aber, Vanea! Ich bin Antare! Wie könntest aber du alles von unserem Volk wissen, wo dir
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