Das Orakel von Antara
Unauffällig trat Yorn zu Reven und Vanea und berührte sie leicht, um ihnen seine Rückkehr anzuzeigen. Ein eventueller Beobachter musste annehmen, er vergewissere sich, dass die ihm Anvertrauten noch da waren. Dann legte er sich neben Kandon auf das bereit gemachte Lager.
Am nächsten Morgen brachen die vier in aller Frühe auf. Yorn hatte herausgebracht, dass sie nicht mehr weit von Blooria entfernt waren und die Stadt wohl noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen würden. Ein ziemlich verkaterter, jedoch höchst zufriedener Lyth begleitete sie zum Tor. Mit überschwänglichen Worten verabschiedete er sich von Yorn und Kandon und bat, Yorn möge ihn doch bald einmal wieder besuchen, falls sich die Gelegenheit ergäbe.
Yorn versprach es ihm äußerst ernsthaft und versicherte ihm, dass er noch nie mit einem solchen Könner Tan-Tan gespielt habe. Dass er verloren habe, sei nichts gegen die Ehre, sich einmal mit einem solchen Meister messen zu können. Nur mit Mühe konnten sich Reven und Kandon ernst halten, denn sie wussten ja, dass Yorn selbst das Spiel meisterlich beherrschte und den eitlen Lyth kräftig an der Nase herumgeführt hatte. Kaum waren die vier daher außer Sichtweite des Anwesens, als Kandon auch schon losplatzte:
„Na, wie viel hast du dem Burschen denn für seine Nachrichten bezahlen müssen? Ist es dir sehr schwer gefallen, dich dumm zu stellen?“
„Ich hätte dich spielen lassen sollen“, spottete Yorn. „Du hättest dich nicht zu verstellen brauchen. - Halt, halt!“ lachte er dann, als Kandon wütend auffahren wollte. „Lass' dich doch nicht immer so leicht aufziehen!“
Auch Kandon musste jetzt lachen. „Du hast Recht!“ gestand er. „Ich sage aber auch immer Dinge, die dich einfach dazu reizen müssen, mir die passenden Antworten zu geben. Na, vielleicht bin ich wirklich dumm und habe es nur noch nicht gemerkt.“
„Hört jetzt mit dem Unsinn auf!“ unterbrach Reven. „Ich denke, es ist wichtiger, dass wir erst einmal erfahren, was Yorn herausgebracht hat. Und ich glaube, dass auch Vanea wichtige Neuigkeiten hat.“
„Ja, die habe ich!“ sagte Vanea ernst. „Doch Yorn soll zunächst einmal berichten, was er erfahren hat. Ich muss gestehen, dass ich versucht war, schon in der Nacht mit ihm in gedankliche Verbindung zu treten. Aber ich konnte es nicht wagen, da er noch nicht geübt genug ist. Doch ich bin mehr als gespannt auf seinen Bericht.“
Nun erzählte Yorn, was er aus Lyth herausgebracht hatte, und je mehr er berichtete, desto ernster wurden Reven und Kandons Gesichter.
„Na, das kann ja heiter werden!“ brummte Reven, als Yorn geendet hatte. „Wenn der Palast so gut bewacht wird - wie sollen wir dann hineinkommen?“
Auch Yorn war ratlos. „Ich weiß es auch noch nicht“, sagte er niedergeschlagen. „Wir müssen wohl warten, bis wir an Ort und Stelle sind. Vielleicht ergibt sich dann doch eine Gelegenheit. Mit Saadhs Hilfe werden wir schon einen Weg finden.“
„Mit Saadhs und Vaneas Hilfe!“ lächelte Vanea da verschmitzt.
„Du? Weißt du schon wieder einen Ausweg für uns?“ fragte Reven ungläubig.
„Ja, ich weiß - oder vielmehr, ich glaube zu wissen, wie wir in den Palast kommen“, antwortete Vanea. „Ich sagte ja schon, dass ich wichtige Neuigkeiten habe. Daher lasst uns eine Weile etwas langsamer reiten, damit ich euch besser erzählen kann, was ich erfahren habe. Von Yorns Bericht habe ich kaum die Hälfte mitbekommen, weil mein Pferd immer nur hinter den anderen laufen will, wenn wir traben.“
Als die Tiere nun im Schritt nebeneinander gingen, begann Vanea: „Ihr wißt, dass ich mich stark konzentrieren muss, um bei den Menschen etwas von ihren Gedanken zu erhaschen. Zuerst war ich zu durchgefroren und fühlte mich zu unbehaglich in den nassen Kleidern. Aber als ich dann warm am Feuer saß, begann ich, nach den Gehirnen der Anwesenden zu tasten. Überall traf ich auf die gleichen Barrieren wie bei Reven und wurde schon ganz mutlos. Ich glaubte, wir würden uns mit dem zufrieden geben müssen, was Yorn aus Lyth herausholen würde. Aber da stießen meine suchenden Gedanken auf einmal auf einen Geist, der sich mir völlig offen darbot. Dieses unerwartete Entgegenkommen verwirrte mich und ich zog mich zurück, um nicht durch ein unvorbereitetes Eindringen Schaden anzurichten. Dieser sich bereitwillig öffnende Geist war der jener alten Frau, von der ich mich später so unsanft durch
Weitere Kostenlose Bücher