Das Orakel von Antara
abzuholen, von dem er sie gekauft hat. Die Pferde wurden scheu vor den Blitzen und gingen durch. Wir haben uns verirrt, denn in dieser Dunkelheit konnten wir nicht mehr zur Straße zurückfinden. Wir wissen nicht einmal, wo wir hier sind. Vielleicht ist dein Herr so gütig und gewährt uns für heute Nacht hier Unterkunft, dann können wir morgen den Weg wieder finden. Wir wollen nichts umsonst, denn unser Herr ist reich und hat uns genügend Reisegeld mitgegeben.“
Die mürrischen Züge des Mannes erhellten sich, und die Gefährten sahen in seinen Augen ein gieriges Licht aufblitzen.
„Wenn es so ist!“ sagte er. „Ich würde meinen Herrn gern für euch fragen. Aber er wird wohl nicht besonders erfreut sein, wenn ich ihn jetzt störe.“ Ein lauernder Seitenblick traf Yorn. „Vielleicht schlägt er mich sogar, denn er wird leicht zornig!“
„Es soll dein Schaden nicht sein, wenn du es wagen willst, für uns um ein Nachtlager zu bitten“, antwortete Yorn, der den Blick des Mannes wohl zu deuten gewusst hatte. Dabei zog er ein Goldstück aus der Tasche und reichte es dem Mann. Gierig griff dieser zu.
„Versteht mich recht“, sagte er dann ablenkend. „Man munkelt, dass unserem Land Gefahr droht, und der Herr hat befohlen, dass niemand eingelassen wird, den wir nicht erwarten oder kennen. Aber da ihr zum Haushalt des reichen Patras gehört, wird es wohl recht sein, wenn ich euch einlasse. Ich hörte meinen Herrn schon von ihm reden, und so wird es wohl nicht erforderlich sein, dass ich ihn störe, um seine Erlaubnis zu holen. Kommt, folgt mir! Für euch beide habe ich eine Kammer. Die neuen Sklaven können im Stall schlafen.“
„Ich danke dir, aber so wird es nicht gehen“, wandte Yorn ein. „Diese beiden sind noch nicht lange Sklaven, und daher ist uns befohlen worden, gut auf sie zu achten. Es sind Guranen, die erst mit dem letzten Sklavenzug hierherkamen.“
Die Augen des Wächters weiteten sich vor Schreck. „Großer Bloor! Sie sind doch nicht gefährlich?“ fragte er entsetzt. „Bei den wild gefangenen kann man nie wissen, was sie im Schilde führen, solange sie noch nicht richtig eingewöhnt sind.“
„Keine Sorge!“ lachte Kandon da und reckte seine mächtige Faust. „Die Gefährlichkeit würde ich ihnen bald austreiben. Ich habe schon mehr als einen von denen zur Vernunft gebracht.“
„Dann ist es gut!“ atmete der Mann erleichtert auf. „Aber dann müsst auch ihr beide mit den gemeinen Sklaven die Unterkunft teilen, denn einen Raum für vier habe ich nicht.“
„Das ist nicht so schlimm“, antwortete Yorn, innerlich erleichtert. „Für diese eine Nacht wird es gehen. Die zwei werden trotzdem nicht vergessen, dass wir weit über ihnen stehen.“
Der Mann führte sie nun unter den überstehenden Dächern der einen geräumigen Innenhof bildenden Gebäude auf eine Tür zu. Unterwegs erzählte er Yorn und Kandon, dass er Lyth heiße und ein in Moradon geborener Antare aus dem Stamm der Kineten sei. Er hatte sein ganzes Leben hier auf dem Anwesen verbracht, da seine Mutter bei seiner Geburt gestorben war und ihn sein Herr von Anfang an zu seinem Leibsklaven herangezogen hatte.
Yorn hörte dem Geschwätz des Mannes aufmerksam zu. Da Lyth sie für seinesgleichen hielt, hoffte Yorn, von ihm wertvolle Informationen über Einzelhe iten zu erhalten, die sein bruchstückhaftes Bild von der Lage der antarischen Sklaven in Moradon vervollständigten. Als Lyth sie nun in den großen Schlafsaal führte, in dem an die dreißig Menschen versammelt waren, nutzte Yorn das bei ihrem Eintreten einsetzenden Stimmengewirr, um Kandon zuzuraunen:
„Ich werde versuchen, diesen Lyth ein wenig auszuhorchen. Vielleicht lädt er mich in seine Unterkunft ein, wenn ich noch ein wenig Geld sehen lasse und ihn zum Spiel herausfordere. Bleibe du mit Reven und Vanea hier, aber halte dich abseits, damit die anderen Sklaven sich ungestört mit den beiden unterhalten können. Dein angeblicher Status als Leibsklave würde sie in deiner Gegenwart nicht reden lassen.“
Kandon konnte nur flüchtig nicken, dann wandte sich Lyth ihnen bereits wieder zu. Er hatte mit einem der Sklaven gesprochen und deutete nun auf eine Ecke des großen Raums, in der noch zwei Lagerstätten frei waren. „Dort können die beiden Guranen schlafen“, sagte er. „Für euch beide werde ich zwei bequeme Betten neben der Feuerstelle bereiten lassen. Ich werde euch auch etwas zu essen
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