Das Orakel von Antara
verhungern.“
Nun machten sich auch die Männer über das Essen her. Während dessen berichteten sie Vanea von ihrem Gespräch mit Schorangar, das sie ja nur halb mitbekommen hatte.
„Also heißt es, wieder warten!“ seufzte Vanea. „Aber ich hasse es, untätig herumzusitzen, wenn mir die Zeit auf den Nägeln brennt. Können wir nicht irgendetwas tun?“
„Doch, du könntest etwas tun“, sagte Reven. „Wolltest du nicht versuchen, mit unseren Gedanken in Kontakt zu treten, damit wir in Verbindung bleiben können, falls wir getrennt werden? Jetzt haben wir die Zeit, die uns damals fehlte. Nun, was meinst du?“
„Ja, das ist ein guter Gedanke!“ lächelte Vanea erfreut. „Das wird uns alle ablenken. Wer will beginnen, du Reven, oder Kandon, damit er lernt, von sich aus mit mir in Verbindung zu treten?“
„Ich glaube, du solltest mit Reven beginnen“, meinte Yorn. „Er hat dir den größten Widerstand entgegengesetzt, und es wird besser sein, wenn du es versuchst, solange deine Kraft noch frisch ist. Ich denke, dass du mit Kandon weniger Schwierigkeiten haben wirst.“
„Gut, das ist ein Argument“, sagte Reven. „Aber ich muss gestehen, dass ich - ein wenig Angst habe, obwohl ich doch genau weiß, dass Vanea nichts Böses im Sinn hat.“
„Ich werde zunächst versuchen, dir diese Angst zu nehmen“, beruhigte ihn Vanea. „Komm, schau mir in die Augen und versuche, dich ganz tief in meinen Blick zu versenken.“
Reven setzte sich Vanea gegenüber und befolgte ihre Anweisung. Schon nach kurzer Zeit hatte er das Gefühl, als steige eine wohlige Wärme von seinen Füßen auf, die ihn bald ganz einhüllte. Die tiefen Seen von Vaneas Augen schienen ihn in sich hineinzuziehen, und es war ihm, als tauche er in diese ruhigen, klaren Spiegel völlig ein. Er spürte einen Strom von Zuneigung, der ihm entgegen floss, und Ruhe und Vertrauen breitete sich in ihm aus. „Öffne dich mir“, hörte er Vaneas Stimme wie aus weiter Ferne zu sich dringen. Er ließ sich im Geist auf der Welle der Freundschaft treiben, die ihn sanft zu tragen schien. Und dann spürte er Vaneas zart tastende Gedanken, die sich einen Weg in seinen Geist zu suchen begannen.
Doch im selben Augenblick stieg ihm ein heftiger Widerwille in der Kehle hoch und sein ganzer Körper verkrampfte sich. Vaneas Schrei brachte ihn zu sich. Entsetzt starrte er auf das Mädchen, das - die Hände an die Schläfen gepresst - über dem Tisch zusammengesunken war. Yorn war aufgesprungen und umfasste besorgt Vaneas Schultern.
„Was ist geschehen, Liebling?“ fragte er angstvoll. „Sag doch, kann ich dir helfen?“ Aber Vanea stöhnte nur. „Was hast du getan?“ herrschte Yorn den völlig verstörten Reven an.
„Ich - ich weiß nicht! Ich habe nichts getan. Ich bekam nur auf einmal Angst, und ... und ... und ...“, stammelte Reven.
„Angst?“ schnaubte Yorn. „Wovor konntest du Angst haben? Hat Vanea nicht schon das gleiche mit Kandon und mir getan? Hat es uns auch nur im Geringsten geschadet? Und Finia? Ist sie daran gestorben? Vor was also hattest du Angst?“
Reven war völlig gebrochen. Er starrte Yorn nur an und sagte kein Wort. Die harten Worte des Bruders hatten ihn total aus der Fassung gebracht. Da hob Vanea den Kopf.
„Lass ihn!“ sagte sie leise. „Er kann nichts dazu. Er ist dagegen völlig machtlos gewesen. Doch ich weiß jetzt, dass ich nicht wieder versuchen darf, in seinen Geist einzudringen, bis er ... ja, bis er mich nicht mehr als Rivalin um deine Liebe ansieht.“
Reven schaute Vanea erschrocken und ungläubig an. Kandon blickte entgeistert von einem zum anderen.
„Ja, ich glaube, ich muss euch das erklären“, sagte Vanea. „Auch Reven selbst weiß gar nicht, das es sich so verhält. Aber sieh mal, Yorn: Bis du dich in mich verliebtest, war Reven der Mensch, der deinem Herzen am nähesten stand. Hast du mir nicht selbst erzählt, dass ihr beide euch auch ohne Worte verstandet? Zwischen euch besteht eine Verbindung, die der Verständigung, wie ich sie kenne, sehr ähnlich ist, wenn sie auch nicht so augenfällig ist. Doch dann trat ich in euer Leben, und je näher wir beide uns kamen, desto stärker befürchtete Reven, dass ich ihn aus deinem Herzen verdrängen würde. Nein, Reven, widersprich nicht, denn dieses Gefühl ist dir selbst nie bewusst geworden! Aber es ist da. Es traf mich mit der Gewalt eines Blitzes, und meine Gedanken wurden mit einer
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