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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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ihn mühelos vom Boden hochheben. In diesem Moment begannen knochige Fersen gegen seine Knie zu trommeln. Unter dem Tuch wand sich der Eindringling und tobte wie eine Wildkatze. Dabei gab er allerdings kaum Geräusche von sich. Rath konnte eine aufkeimende, wenn auch widerstrebende Anerkennung nicht unterdrücken. Da es ein Kampf Mann gegen Mann war, wusste der Eindringling genau, dass er noch die Chance hatte, zu entfliehen. Jeder Schrei von ihm würde mit Sicherheit Hilfe herbeirufen. Selbst mitten im Kampf hatte er noch so viel Geistesgegenwart, keinen Mucks von sich zu geben.
    Vielleicht war es Raths Hochachtung vor dieser Geistesgegenwart, die ihn ebenfalls schweigend kämpfen ließ, statt um Hilfe zu rufen. Vielleicht empfand er es aber auch als beschämend, nicht allein mit dieser strampelnden Maus von einem Burschen fertig zu werden.
    Rath drückte ihn fest an sich, um die Aufmerksamkeit des Eindringlings auf sich zu ziehen, dann forderte er ihn mit einem leisen Knurren auf: “Lasst das Messer fallen.”
    “Lasst mich los”, tönte dumpf die Gegenforderung unter den Decken hervor. “Mein Messer steckt in der Scheide. Ich will Euch nichts Böses.”
    Bildete er es sich nur ein, oder war es eine vertraute Stimme? “Warum seid Ihr dann in mein Zelt gekrochen, bewaffnet und mitten in der Nacht?”
    “Die hätten mich doch nicht eingelassen, oder?” Endlich hörte der Eindringling auf zu zappeln. “Und ich hab doch eine wichtige Botschaft für Euch. Die würde ich solchen hochnäsigen Insulanern doch nie anvertrauen.”
    “Sire?”, rief einer der hochnäsigen Insulaner von draußen. “Ist alles in Ordnung da drinnen?”
    Idrygon hatte den strikten Befehl gegeben, dass die Wachen Raths Zelt nicht betreten durften, außer sie wurden gerufen.
    “Nichts Schlimmes!” Aus irgendeinem Grund hatte Rath Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. “Nur ein schlechter Traum.” Dem Eindringling flüsterte er zu: “Eine Botschaft? Seid Ihr sicher, sie ist für mich? Wisst Ihr, wer ich bin?”
    “Wer weiß das nicht? Jetzt lasst mich los, damit ich sie Euch sagen und hier wieder verschwinden kann.”
    “Das Wichtigste zuerst. Haltet einen Augenblick still.” Rath legte den Eindringling auf den Boden und hielt ihn mit dem Knie lange genug fest, um ein Licht anzuzünden.
    Dann hob er die Decken.
    “Ihr!”
    “Du!”
    Erstaunt starrte Rath den unter dem Namen Snake bekannten Bettlerjungen an.
    “Sire?”, rief die Wache wieder. “Seid Ihr
sicher
, dass mit Euch alles in Ordnung ist?”
    “Oh, ja. Ich singe nur so vor mich hin. Das tue ich manchmal, wenn ich nicht schlafen kann.”
    Snake verdrehte die Augen, als könnte er sich nicht vorstellen, dass jemand so dumm sein konnte, das zu glauben. Er sah sich im Zelt um, dann flüsterte er: “Also, wo ist der Wartende König? Ich dachte, das sei sein Zelt.”
    Rath zuckte die Achseln. “Das ist eine lange Geschichte. Was für eine Botschaft du auch für ihn hast, ich verspreche dir, sie ihm sofort zu überbringen.”
    Der Junge schien einen Moment zu zweifeln. “Aye, nun gut, ich denke mal, sie wollte, dass ich es auch Euch sage.”
    “Sie? Maura?” Er sprach lauter als geplant. Bevor die Wache misstrauisch werden und Idrygon Bericht erstatten konnte, sang Rath mit heiserer Stimme: “Oh Maura, meine Schöne, meine Dame …”
    Snake verzog das Gesicht und hielt sich die Ohren zu. “Kann sein, dass das ihr Name ist. Die vom Heuwagen. Hübsch. Hilft dauernd den Leuten.”
    “Wann sahst du sie?” Raths Hand umschloss den Arm des Jungen. “Wo? Was sagte sie?”
    “Lasst mich los oder ich sage keinen Ton.”
    “Sag es mir, bevor ich es aus dir herausprügle!”, knurrte Rath. Er konnte sich Mauras Gesicht genau vorstellen, wenn sie ihn jetzt gehört hätte. “Tut mir leid.” Er ließ den Jungen los. “Ich habe es nicht so gemeint. Sag es mir nur … bitte. Ich bin krank vor Sorge um sie.”
    “Warum habt Ihr sie dann in Westborne herumlaufen lassen mit diesem … diesem …”
    “Delyon.” Rath flüsterte den Namen wie einen Fluch. “Das ist eine lange Geschichte. Ich bitte dich, sag mir, was du weißt.”
    “In Ordnung. Ich habe sie nicht gesprochen, nur gesehen. So vor zwei, drei Wochen. So lange habe ich hierher gebraucht von …” Der Junge nannte den Namen eines Ortes, von dem Rath noch nie gehört hatte. “An dem Tag war ich auf dem Markt, zum Klau… ich meine, ich hab mich ein wenig umgeschaut. Ich hörte diesen Krach und erkannte die Stimme

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