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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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die Leute, gegen die sie sich richten.”
    In dem Moment rief einer von der Mannschaft in den Laderaum hinunter: “Kommt auf Deck, Landratten. Der Captain will Euch sehen.”
    “Sagt Eurem Captain, er muss warten, bis ich diese Männer hier gut versorgt habe”, rief Maura zurück.
    Rath schmunzelte verstohlen und fragte sich, wie viele dieser rauen Männer wohl den Mut hätten, Captain Gull einen Befehl zu verweigern.
    Er zupfte Maura am Ärmel. “Hör zu.” Die beiden Verwundeten atmeten tief und gleichmäßig. “Du kannst nichts für sie tun, was nicht auch eine gute Portion Schlaf ausrichten kann.”
    “Du hast recht.” Maura tastete nach seiner Hand. “Um die Knochen zu richten und die Pfeilwunde richtig zu säubern, brauche ich Licht. Auf der Insel gibt es sicher bessere Heiler als mich.”
    Rath half ihr beim Aufstehen. “Wahrscheinlich gibt es dort Heiler, die besser ausgerüstet sind als du,
Aira
, mit Gärten voll seltener Kräuter. Doch ich glaube, keiner von ihnen hätte auch nur halb so viel erreicht wie du mit nichts als deinem Schultergürtel und dem, was du entlang unseres Weges gesammelt hast.”
    Maura kicherte leise. “Langbard pflegte oft zu sagen: 'Die Not ist ein harter, aber sehr gründlicher Lehrmeister.' Ich muss gestehen, bevor meine Reise begann, habe ich nie verstanden, was er damit meinte.”
    An der Art, wie sie sich an seinem Arm festhielt, merkte Rath, dass sie sehr schwach war. Sein Herz schmerzte, ihm kam es so vor, als liebte er Maura mehr, als er ertragen konnte.
    “Es ist mehr als das”, sagte er, während sie die Leiter hinaufkletterten. “Alle Geschicklichkeit und alle Heilmittel der Welt sind nichts ohne den Willen, den Menschen zu helfen. Und ich habe nie jemanden gesehen, dessen Willen stärker ist.”
    Maura kletterte an Deck. “Vielleicht hättest du ein wenig länger in das Wasser auf der Geheimen Lichtung blicken sollen. Dann hättest du jemandem mit einem unbezwingbaren Willen gesehen.”
    Vielleicht, dachte Rath. Aber würde er den Mut haben, diesen Willen zu nutzen? Wie jede Kraft barg auch er seine Gefahren. An den niedrigeren Masten hingen einige kleine Laternen und warfen verzerrte Schatten aufs Deck. Aus einem dieser Schatten trat Captain Gull und machte vor Rath und Maura eine tiefe Verbeugung. “Noch nie habe ich Festlandbewohner getroffen, die sich in Schwierigkeiten von so großem Nutzen erwiesen haben. Nehmt meinen Dank dafür, dass Ihr mein Schiff gerettet habt. Ich stehe in Eurer Schuld.”
    Stolz, wenn auch ein wenig ungeschickt, erwiderte Rath die Verbeugung. Er wusste nicht so recht, was er antworten sollte. Er war geübt darin, auf Beleidigungen und Drohungen zu reagieren, aber nicht auf Höflichkeiten. Er sah in die Nacht hinaus, wo in der Entfernung Lichter zu erkennen waren. “Laufen wir heute Nacht in den Hafen ein?”
    Gull schüttelte den Kopf. “Wir ankern hier und warten auf die morgendliche Flut. Doch wenn Ihr unbedingt an Land wollt, könnt Ihr eines der kleinen Boote haben und zwei meiner Männer, die Euch rudern.”
    “Sollen wir?”, flüsterte Rath Maura zu.
    Es drängte ihn nicht, auf die Inseln zu kommen. Trotz aller Gefahr und Härte war diese Reise so etwas wie eine willkommene Rückkehr in sein altes Leben gewesen. Für diese Männer hier war er nicht der Wartende König, sondern nur eine Landratte, der es gelungen war, ihre Achtung zu gewinnen. All das würde sich ändern, sobald er und Maura den Fuß an Land setzten.
    Aber gewiss sehnte Maura sich nach festem Boden unter den Füßen. Doch Maura sagte: “Hier ist die See ruhig. Noch eine Nacht an Bord wird uns nicht schaden. Außerdem möchte ich in Reichweite sein, sollten die verwundeten Männer aufwachen und Hilfe benötigen.”
    “Gut, wie Ihr wollt.” Gull schien sich über ihre Entscheidung zu freuen. “Ich denke mal, dass jetzt ein kleines Fest das Richtige wäre, um unseren Sieg über die Erzflotte zu feiern. Leistet Ihr uns dabei Gesellschaft?”
    Dieses Mal zögerte Rath nicht. “Mit Vergnügen.”
    “Ihr habt den Mann gehört.” Gull schnipste mit den Fingern. “Worauf warten wir noch?”
    Sofort war die Nacht erfüllt von der ausgelassenen Musik hölzerner Pfeifen und Handtrommeln. Rath fand sich auf einem weichen Sack wieder mit Mauras noch weicherer Rückseite auf seinem Schoß. Das war entschieden besser als alles, was sie auf den Inseln erwarten mochte!
    Als jemand Rath einen großen Krug in die Hand drückte, nahm er einen kräftigen Schluck,

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