Das Orakel von Margyle
Erzflotte geschah.” Er beschrieb ihr den Vorfall. “Endlich haben sie einmal eine Kraft kennengelernt, die noch gnadenloser ist als sie selbst. Verrotten sollen sie!”
Der Mann mit dem Pfeil in der Schulter rührte sich und stöhnte mit geschlossenen Augen.
Maura warf ihm einen besorgten Blick zu. “Ich hoffe, der arme Kerl erwacht nicht, bevor wir Margyle erreichen. Sie haben sicher geschicktere Heiler als mich, die ihm diese Pfeilspitze mit Widerhaken aus seinem Fleisch mühelos entfernen können.”
“Pfeilspitze?” Rath war von dem Gedanken einen Moment lang wie gelähmt.
Der bewusstlose Maat hatte ein Stück Metall im Fleisch stecken. Metall wie jenes, wegen dem die Wehrhaften Wasser die hanische Erzflotte verschlungen hatten.
“Gull!” Er sprang auf die Füße und raste die Leiter hinauf. “Dreh um! Pfeile! Metall! Die Wehrhaften Wasser!”
Rath stürzte durch die Luke und stolperte zum Ruder. Als er Gulls Gesicht sah, wusste er, dass der Captain seine wirre Warnung verstanden hatte.
Doch als sich aus dem Nichts eine riesige Welle erhob und über den Bug der Phantom schlug, wusste er auch, dass seine Warnung zu spät kam.
5. KAPITEL
A ls Maura sah, wie Rath die Leiter hinaufstürzte, schnürte sich ihr vor Angst die Kehle zu. Dann hörte sie das Krachen einer großen Welle. Die Phantom taumelte wie ein Kämpfer, der hart am Kopf getroffen worden war. Die plötzliche Neigung des Schiffes warf Maura zur Seite auf den bewusstlosen Mann. Es gelang ihr gerade noch, nicht auf der Schulter des armen Kerls zu landen und damit die Pfeilspitze tiefer ins Fleisch zu treiben. Die Pfeilspitze! Raths Worte klangen in ihr nach und ergaben endlich einen Sinn. War so ein kleines Metallstück tatsächlich an dem Sturm schuld, der jetzt an der Phantom zerrte?
Der verletzte Mann bewegte stöhnend. “Was ist geschehen? Wo bin ich?”
Sie löste sich von ihm, blieb aber in der Hocke, die Arme ausgebreitet, um die Balance zu halten. “Ihr seid im Frachtraum. Ein Bogenschütze der Han schoss Euch aus der Takelage.”
“Du könntest tot sein, wenn du nicht auf mich gefallen wärst”, sagte der andere verletzte Mann schleppend. Weil Maura ihm ein schmerzstillendes Mittel gegeben hatte, sprach er etwas undeutlich. “Sagt, warum wankt das Schiff so? Rammen uns die Han?”
Wieder hob sich die Phantom … und Mauras Magen mit ihr. Sie kramte in ihrem Schultergürtel nach dem Rest des Seegrases, brach ein Stück davon ab und kaute wütend drauf herum. Es würde keinem nützen, wenn sie sich in eine Ecke kauerte und sich die Seele aus dem Leib spuckte.
“Es sind nicht die Han”, murmelt Maura, den Mund voll Seegras.
“Nein.” Von oben erklang Raths Stimme. “Es liegt an den Pfeilen.”
Er begann, wieder die Leiter hinunterzuklettern. Auf halbem Weg blieb er stehen und klammerte sich fest, weil erneut eine Welle über dem Schiff zusammenschlug und einen Gischtschauer durch die Luke schickte. “Es gibt noch mehr, die in den Masten und im Deck stecken. Gull lässt seine Mannschaft das ganze Schiff nach ihnen absuchen.”
Die letzten Sprossen übersprang er und landete auf Händen und Füßen neben Maura. “Kannst du die Spitze herausbekommen?”
“Ich sagte dir, ich kann nicht …”
Bevor sie den Satz beenden konnte, beugte Rath sich vor und flüsterte: “Wenn wir das Zeug nicht irgendwie vom Schiff bekommen, lässt Gull diesen armen Kerl hier über Bord werfen, verstehst du?”
Also musste sie es versuchen. Sie konnte doch keinen Mann ertrinken lassen, nur weil er das Pech hatte, von einem hanischen Pfeil getroffen worden zu sein. Was immer sie auch tun musste, um das zu verhindern, musste sie schnell tun. Vielen solchen Schlägen würde das Schiff nicht mehr standhalten, ohne unterzugehen.
Wenn sie den armen Kerl doch nur nicht geweckt hätte, als sie auf ihn fiel! Die Pfeilspitze zu entfernen würde ihm große Schmerzen bereiten. Davor schrak Maura zurück.
“Was kann ich tun?”, flüsterte sie verzweifelt. “Ich habe nichts Scharfes, womit ich sie herausschneiden könnte. Erinnere dich an das, was Langbard über die hanischen Pfeile gesagt hat. Wie deren Widerhaken sich ins Fleisch bohren, wenn man versucht, sie herauszuziehen.”
“Stoße ihn hindurch, so wie Langbard es bei mir getan hat.”
“Ich weiß nicht, wie das geht!”
Von oben hörte sie Stimmen. Gull schien jemanden zu schicken, um den Verwundeten zu holen.
“Vielleicht weißt du mehr, als du ahnst.” Rath umklammerte ihre
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