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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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in seinem Selbstvertrauen so königlich, dass sie sich wünschte, eine Krone zur Hand zu haben, um sie ihm auf die windzerzausten Haare zu drücken. Doch dann kehrte der Schatten wieder zurück und verdüsterte seinen Blick. Er zog Maura eng an sich, als wäre sie ein verängstigtes Kind, das seinen Trost brauchte. Vielleicht aber auch umgekehrt.
    “Ich bin überzeugt, dass wir siegen können”, wiederholte er mit heiserem Flüstern. “Aber zu welchem Preis?”
    Zu welchem Preis
! Diese Worte verfolgten Rath in seinen Träumen in der Nacht vor den Hochzeits- und Krönungsfeierlichkeiten. Was Maura ihm über ihre Eltern erzählt hatte, trug nicht gerade dazu bei, seine Angst zu lindern. Ganz im Gegenteil. Mit einem heldenhaften Tod, wie ihn ihr Vater erlitten hatte, hätte er sich aussöhnen können. Aber wie ihre Mutter den Verlust des geliebten Menschen ertragen zu müssen – dieser Gedanke raubte ihm den Mut.
    Er warf sich in dem engen Bett herum, das ihm jemand aus Mauras Verwandtschaft zur Verfügung gestellt hatte und verfluchte die Sitte, dass er und Maura während der Tage vor der Hochzeit getrennt schlafen mussten. Als sie auf Galene ihre Verwandtschaft besuchte, hatte ihm die Trennung nicht so viel ausgemacht. Doch jetzt, wo sie wieder auf der gleichen Insel waren, konnte er es kaum ertragen, sie nicht bei sich zu haben.
    Wenn sie jetzt das Bett mit ihm geteilt hätte, hätte er sie in den Armen halten, sich von der Wärme ihres Körpers, von ihrem leisen Atmen und dem ruhigen Murmeln ihres Herzschlags trösten lassen können. Er hätte zu der Einsicht kommen können, dass es besser war, die Zeit, die ihnen blieb, zu genießen.
    Ganz gleich, was das Orakel prophezeit hatte.
    Wenn er an sein Gespräch mit Maura unten am Strand dachte, brannte die Scham in ihm, weil er ihre Aufrichtigkeit in Frage gestellt hatte, obwohl doch er etwas vor ihr verbarg. Doch er durfte ihr Glück nicht trüben, indem er ihr die Wahrheit erzählte. Von nun an musste er seine Sorgen besser vor ihr verbergen – und nicht in Großbuchstaben wie auf einem Wirtshausschild vor sich hertragen.
    “Hoheit!” Jemand rüttelte Rath an der Schulter.
    Er erwachte jäh aus seinen Gedanken und merkte jetzt erst, dass er Delyons Hals umklammerte.
    “Verzeiht!” Sofort ließ er ihn los. “Weckt mich niemals auf diese Weise.”
    “Nichts passiert.” Delyons Stimme klang heiser, er massierte sich den Hals. “Mein Bruder schickt mich, Euch zu holen. Es dämmert bald. Zeit für die Zeremonie.”
    Als Delyon die Kerze, die er mitgebracht hatte, auf den kleinen Tisch neben dem Bett stellte, dankte Rath dem Allgeber, dass der junge Gelehrte sie während ihres kurzen Kampfes nicht aufs Bettzeug hatte fallen lassen.
    “Eure Kleider liegen hier bereit.” Delyon deutete auf eine niedrige Truhe in der gegenüberliegenden Ecke. “Ihr solltet Euch besser beeilen.”
    Rath kletterte aus dem Bett. “Ich bin gleich fertig.”
    Auf dem Weg zur Tür blieb Delyon stehen. “Hoheit?”
    “Ja?” Nach zwei Wochen in Idrygons Haushalt war Rath langsam daran gewöhnt, auf diese Anrede zu reagieren.
    “Ich wünsche Eurer Verbindung alles Glück, Sire.” Delyon verbeugte sich. “Es ist mir eine Ehre, Zeuge der Eheschließung und der Krönung des Wartenden Königs und der Auserkorenen Königin zu sein.”
    “Hm … danke.” Rath wusste, dass seine Worte schroff und linkisch klangen, aber er konnte nicht anders.
    Der junge Gelehrte war ein wirklich anständiger Bursche, doch sie beide waren so verschieden, wie Männer nur sein konnten. Und Rath machte sich keine Illusionen darüber, wer der bessere Mensch von ihnen war.
    Nachdem Delyon gegangen war, schlüpfte Rath in seine Hochzeitsgewänder und stellte erleichtert fest, dass sie ein ganzes Stück weiter waren als die Tuniken, die er in Margyle getragen hatte. Delyon hatte ihm erzählt, dass ihre braune Farbe die fruchtbare Erde symbolisierte. Als er aus seinem Gemach in den Innenhof hinaustrat, sah er, dass sich dort eine Menge Männer leise im Kerzenschein unterhielten.
    Idrygon trat mit einem Reif aus geflochtenen Blättern in den Händen vor und drückte ihn Rath auf den Kopf. “Wir sollten uns besser jetzt auf den Weg machen, damit wir den Hochzeitshain bei Tagesanbruch erreichen. Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen, Hoheit. Dies wird ein großer Tag.”
    Rath nickte und unterdrückte ein Gähnen. Dies würde ein großer Tag werden, auf keinen Fall durfte er Maura oder diesen guten Leuten den Tag

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