Das Orakel von Margyle
Rath. “Und ich muss wissen, ob du mich heiratest, weil dein Herz mich wählt. Oder ist es wie bei deiner Mutter, die um ihrer Bestimmung und ihrer Pflicht willen heiratete? Denk daran, du hast mir die Wahrheit versprochen.”
Maura wurde so sehr von Erleichterung gepackt, dass sie auf den Sand niedergesunken wäre, hätte Rath sie nicht an den Armen festgehalten.
Stattdessen lehnte sie sich an ihn und schlug mit der Faust gegen seine breite Brust. “Deswegen machst du dir Sorgen? Natürlich hat mein Herz dich gewählt! Es hat mich fast in Stücke gerissen, als ich fürchten musste, der Wartende König käme zwischen uns.”
“Aber du wähltest ihn, bevor du wusstest, dass ich und er ein und derselbe sind. Ich erinnere mich an unsere Reise zur Geheimen Lichtung und dass du darauf vorbereitet warst, dein Glück zum Wohle deines Volkes zu opfern. Ich kann solch ein Opfer nicht von dir verlangen,
Aira.”
Maura hob das Gesicht und begegnete seinem Blick. “Wir trafen diese Entscheidung gemeinsam, erinnerst du dich? Ich kann nicht beschwören, wie ich mich entschieden hätte, hättest du dir in den Kopf gesetzt, mich von meiner Meinung abzubringen.”
“Ehrlich?”
“Wie kann ich dich überzeugen? Deine dir bestimmte Gefährtin zu sein, ist der Teil meines Schicksals, den ich mit freudigem Herzen und rückhaltlos bejahen kann. Hast du die Vereinigung unserer Seelen vergessen, als du dich durch meine Augen sahst und all die Liebe spürtest, die ich für dich hege?”
“Ich habe es vielleicht ein wenig vergessen.” Er neigte den Kopf und beugte sich über sie. “Im Rückblick erscheint alles wie ein Traum – zu schön, um wahr zu sein.”
“Vielleicht bringt dir das die Erinnerung zurück.” Maura ließ die Hand über seine Brust nach oben gleiten, legte sie in seinen Nacken und zog seinen Kopf an sich. Ihre Lippen trafen sich. Er küsste sie mit all der Sehnsucht, die sich während ihrer Reise in ihm angesammelt hatte.
Doch selbst als sie seine Küsse leidenschaftlich erwiderte, fragte sie sich, ob ihn nicht doch noch etwas anderes bedrückte. Etwas, was er nicht mit ihr teilen wollte. Etwas, das er vor sich selbst vielleicht noch nicht richtig zugegeben hatte.
Sie entfernte sich gerade weit genug vom ihm, um zu flüstern: “Was ist los mit dir?”
“Mit mir?” Er hob sie hoch und wirbelte sie herum, bis sie vor Lachen nach Luft japste. “Kannst du auch nur einen Moment lang glauben, ich wäre nicht wild darauf, dich zu heiraten?”
“Darum geht es nicht”, meinte sie, als er sie endlich wieder auf die Füße stellte. “Ich habe dich praktisch aus dem Wald von Betchwood gezerrt. Doch ich möchte nicht, dass du die Krone und all das Drum und Dran nur meinetwegen annimmst.”
“Das wäre doch kein so schlechter Grund, oder?”
Vielleicht war ihm selbst beim Herumwirbeln schwindlig geworden. Jetzt suchte er bei ihr Halt. Er war ein starker energischer Mann, doch Maura wusste, dass Zeiten vor ihnen liegen mochten, in denen er ihre Kraft brauchte.
“Kein schlechter Grund, aber nicht gut genug. Ich möchte, dass du es tust, weil es das Richtige für dich ist. Und weil es
deine
Bestimmung ist.”
“Mach dir keine Sorgen.” Er beugte sich zu ihr und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. “An diesem Morgen im Zeitlosen Wald war ich nicht ganz bei mir. Die Vorstellung, ich wäre der Wartende König, hatte mich aus dem Gleichgewicht gebracht, genauso wie die Dreherei eben. Und ich hatte eine ganze Menge falscher Vorstellungen. Seitdem aber kenne ich die Wahrheit.”
Maura suchte nach einem falschen oder gezwungen klingenden Ton in seiner Stimme, konnte ihn aber nicht entdecken.
Rath nahm ihr Gesicht in die Hände und blickte ihr im schwindenden Tageslicht tief in die Augen. “Jetzt, wo ich gesehen habe, wie das Leben hier auf den Inseln ist – und wie es auf dem Festland sein könnte –, kann ich nicht ruhen, bis ich alles in meiner Macht Stehende dafür getan habe.”
“Worte eines wahren Königs”, flüsterte Maura.
“Ich bezweifle immer noch, dass wir allein die Han aus Umbria vertreiben können. Aber, wer weiß … Wenn der Allgeber es will? Außerdem werden wir nicht allein sein. Idrygon hat sich seit Jahren auf diesen Tag vorbereitet, hat gewartet und gehofft, dass ich komme, um die Streitkräfte anzuführen, die er versammelt hat.”
Seine Worte bewegten und beruhigten Maura. “Du bist überzeugt, dass wir jetzt siegen können, nicht wahr?”
“Das bin ich.” Rath wirkte
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