Das Orakel von Margyle
Untertanen der Sache angeschlossen haben und darauf vorbereitet sein, sich friedlich seiner Herrschaft zu beugen, wenn das Königreich erst einmal befreit ist.”
Maura musste zugeben, dass seine Begründung einleuchtend war. Zusätzlich zu seinen Führungsqualitäten besaß Lord Idrygon auch jede Menge Überzeugungskraft.
Am Morgen hatte es geregnet. Inzwischen hatte der Wind die Wolken vertrieben und jetzt glitzerte die Sonne auf dem Wasser der schmalen, hübschen Bucht. Auf hölzernen Plattformen am Ufer ruhten zwei Schiffe, bereit, ins Wasser zu gleiten und sich von den Wellen umarmen zu lassen. In Form und Takelage ähnelten sie dem Schiff von Captain Gull, waren aber größer. Heute würden sie die Namen erhalten, unter denen sie segeln sollten.
Ihr Anblick ließ Maura vor der Vorstellung, wieder das Meer überqueren zu müssen, zurückschrecken. Besonders weil sie dieses Mal ohne Rath segeln sollte. Sie wünschte, er könnte sie begleiten; mit ihm an ihrer Seite fühlte sie sich zu allem fähig … wenn er sie nur ließ.
Als sie jetzt den sanften Abhang zur Schiffswerft hinunterritten, schrie ein Kind: “Da kommen sie!”
Leute stürzten aus ihren Häusern. Der Wind trug ihnen die Musik von Rohrflöten entgegen, Lachen und Willkommensrufe. Einige junge Mädchen ließen einen sanften, bunten Regen aus Blütenblättern aus dem oberen Fenster eines Hauses über die königlichen Besucher niedergehen.
Maura winkte den Menschen lächelnd zu, während Idrygon die jubelnden Willkommensrufe mit würdevollem Nicken zur Kenntnis nahm. Rath machte ein Gesicht, als würde er sich bei diesem ganzen Spektakel nicht recht wohlfühlen.
“Lächle!”, redete ihm Maura gut zu. “Versuche den Eindruck zu erwecken, als würdest du dich freuen, sie zu sehen.”
Er bemühte sich und hob die Hand zu einem etwas steifen Gruß. Keiner schien es ihm übel zu nehmen. Der Jubel ließ nicht nach. Und als die königliche Gesellschaft vorübergezogen war, strömten die Menschen zusammen und folgten den Besuchern hinunter zum Ufer.
Dort hielt Idrygon eine kurze Rede und dankte den Dorfbewohnern für ihren lebenswichtigen Beitrag zur Befreiung des Festlands. Ein kleiner Trupp Soldaten, aus der hiesigen Gegend rekrutiert, versammelte sich, um von Rath und Idrygon inspiziert zu werden.
Ihr ganzes Leben lang hatte Maura keine anderen Soldaten gesehen als die hanischen. Glücklicherweise erinnerten diese hier sie nur wenig an die Han. Ihre gepolsterten Lederrüstungen dienten mehr der Tarnung und der Beweglichkeit, wenngleich ein alter Mann sie auch stolz wissen ließ, dass er ihnen mit Hilfe des Saftes heimischer Bäume einen Härtezauber verpasst hatte.
Auch die Waffen unterschieden sich sehr von den grausamen Schwertern der Han – hauptsächlich handelte es sich um Bögen und Stäbe unterschiedlichster Art. Wie Rath jetzt so zwischen den Männern umherging und hier und da stehen blieb, um sie über ihre Rüstung und Waffen zu befragen, wirkte er sehr entspannt.
Nach Beendigung der Inspektion geleitete Idrygon Rath und Maura zum Kai, wo er ihnen erklärte, was sie zu tun hatten. Die Vestaner, so erklärte er, feierten den Stapellauf eines neuen Schiffes immer mit einer Zeremonie, auch wenn sie nicht immer so feierlich wäre wie die heutige.
Man reichte Maura ein kleines Körbchen, das mit getrockneten Blumen, Blättern und Wasserpflanzen gefüllt war. Während Rath die rituellen Segensworte sprach, die ihm Idrygon vorsagte, ließ Maura den Inhalt des Körbchens über den Bug jedes Schiffes rieseln.
Schließlich verkündete Rath mit lauter Stimme: “Dieses Schiff soll unter dem Namen
Auserkorene Königin
segeln. Möge es immer guten Wind und eine glatte See haben. Und möge der Allgeber alle beschützen, die auf ihm fahren.”
Die Stützen wurden fortgeschlagen, das Schiff glitt mit schwerfälliger Eleganz ins Wasser und ließ an seinen Seiten die Wellen hoch aufschäumen. Als die Dorfbewohner jubelten, griff Maura nach Raths Hand. Ob er das gleiche Bild vor sich sah wie Maura? Stellte er sich diese Szene in Windleford oder Prum vor, wo künftig die Menschen genauso wohlgenährt, glücklich und zufrieden in Sicherheit leben würden?
Sie ließen das zweite Schiff zu Wasser, das mit dem gleichen Ritual auf den Namen
Wartender König
getauft wurde. Dann wurden Maura und Rath hinausgerudert, um eine kurze Fahrt mit den Schiffen zu unternehmen. Danach waren sie beim Fest die Ehrengäste. Als sie zu Idrygons Haus zurückgingen, war
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