Das Orakel von Margyle
die Nacht bereits angebrochen. Doch Maura war nicht müde.
Idrygon schlug vor, mit Rath noch einige Einzelheiten ihres Angriffs zu besprechen, doch Maura zog ihren Mann hinter sich her. “Morgen, Mylord. Es war ein langer Tag.”
Kaum hatte sich die Tür des Schlafzimmers hinter ihnen geschlossen, da drehte Maura sich um und warf Rath die Arme um den Hals. “Ist es nicht wunderbar? Da haben wir geglaubt, wir müssten ganz allein gegen die Han kämpfen. Und nun stellt sich heraus, dass es jede Menge Leute gibt, die uns helfen wollen. Es musste nur der Funke von uns auf sie überspringen.”
“Du warst heute wunderbar,
Aira!”
Rath nahm sie liebevoll in die Arme. “Eine Königin vom Scheitel bis zur Sohle. Ich kam mir neben dir wie ein Narr vor … vermutlich habe ich auch so ausgesehen. Ich fragte mich die ganze Zeit, ob all diese Leute auch so jubeln würden, wenn sie wüssten, wer ich in Wirklichkeit bin, und wenn sie von einigen Sachen Wind bekämen, die ich angestellt habe.”
“Du sahst vielleicht ein wenig … streng aus.” Maura küsste erst einen Mundwinkel, dann den anderen, bis sie Rath dazu brachte, die Lippen zu einem Lächeln zu verziehen. “Aber Könige dürfen so dreinschauen. Sie haben immer so viel im Kopf. Niemand nahm es dir übel.”
Sie sehnte sich nach einem Kuss – einem langen, zärtlichen Kuss. “Außerdem”, meinte sie, als sie einander wieder losgelassen hatten, “wer du warst und was du getan hast, ist Vergangenheit. Es zählt nur, was für ein Mann du jetzt bist und was für ein König du sein wirst. Nach einiger Zeit wirst du dich immer sicherer fühlen, und mit den Soldaten bist du gut umgegangen.”
Rath zuckte mit den Schultern. “Da habe ich eben einmal nicht an diese ganze Königsgeschichte gedacht. Ich wollte nur ihre Waffen und ihre Rüstung kennenlernen.”
“Das ist vielleicht das Geheimnis.” Maura zog ihn zum Bett. “Mann muss den Leuten nur ein wenig Aufmerksamkeit zollen.”
In den letzten Tagen hatte Rath nach den Gesprächen mit Idrygon so mürrisch und distanziert gewirkt, und sie war über seine Sturheit so verärgert gewesen, dass sie beide sich abends nur gegenseitig einen kühlen Kuss auf die Wange gedrückt und sich dann jeder auf seine Seite des Bettes gedreht hatten.
Rath schien ihre Gedanken zu erraten, denn er murmelte: “Ich habe dir nicht genug Aufmerksamkeit gezollt, meine Königin. Wenigstens nicht so, wie es sich für einen Bräutigam gehört.”
Er ließ sie gerade lange genug los, um sich die Tunika auszuziehen und die Schuhe abzustreifen. “Kannst du mir denn verzeihen?”
“Das habe ich schon.” Maura ließ die Finger durch sein Haar gleiten, während er sie aufs Bett legte. “Ich weiß, wie schwer für dich der Weg vom Gesetzlosen zum König gewesen ist. Ich hätte mehr Geduld mit dir haben sollen.”
Rath ließ ein tiefes, volles Lachen hören. “Lustig, dass du jetzt von Geduld sprichst. Du wirst sie nämlich heute Nacht benötigen.”
Er zog den Netzvorhang rund ums Bett und dann liebte er sie. Langsam und sanft waren die Liebkosungen seiner Hände, Lippen und Zunge, gerade so, als wäre sie ein kostbarer Schatz, der zerbrechen könnte, wenn man zu rau mit ihm umging. Seine bewusste Zurückhaltung erregte Maura und ließ sie immer größere Höhen der Lust erreichen, bis sie ihn schließlich bebend um Erlösung anflehte.
Rath bettete Maura in seine Arme. Sie endlich wieder zu lieben, hatte allen Druck von ihm genommen, der sich in ihm aufgestaut hatte. Er konnte nur hoffen, dass Maura wusste, wie tief seine Liebe zu ihr war. Vielleicht würde sie dann endlich auch verstehen, wie sehr die Angst ihn quälte, sie zu verlieren.
Maura kuschelte sich an ihn und streichelte seine Wange. “Du weißt doch, dass ich es tun muss, nicht wahr,
Aira?
Die Schriften sagen, dass der Wartende König und die Auserkorene Königin sich zusammentun, um das Königreich in seiner dunkelsten Stunde zu retten.”
“Aber du hast bereits deinen Teil dazu beigetragen und noch viel mehr.” Hatte sie mit ihm geschlafen, nur um ihn zu besänftigen? “Du hast mich gefunden. Und als ich am liebsten vor meiner Bestimmung davongelaufen wäre, hast du mich dazu gebracht, zu den Inseln zu fahren. Ich komme um vor Angst, wenn ich mir vorstelle, wie du im Palast des Statthalters umherschleichst.”
In der Dunkelheit spürte er, wie Maura sich auf den Ellbogen stützte. “Das wird weit einfacher sein als meine Suche nach der Geheimen Lichtung.
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