Das Orakel von Margyle
Dieses Mal weiß ich, wo ich hingehen muss, und von der Küste bis nach Venard ist es nicht weit.”
Rath schüttelte den Kopf. “Aber ich werde nicht da sein, um dich vor den Han zu retten … oder vor deiner eigenen übertriebenen Hilfsbereitschaft.”
“Delyon wird bei mir sein.”
“Delyon ist nicht in der Lage, dich so zu beschützen wie ich!” Rath ballte aus hilfloser Wut die Faust und hieb auf die Matratze ein. “Ich traue ihm nicht …” Seine eigenen Worte wandten sich gegen ihn und packten ihn an der Gurgel. War es möglich, dass der Orakelspruch etwas ganz anderes bedeutete? Sollte er Maura nicht etwa durch den Tod verlieren, sondern durch … Betrug?
Sie hatte so oft gesagt, der gut aussehende junge Gelehrte erinnere sie an ihren geliebten Vormund. Und Rath wusste aus Erfahrung, dass gemeinsame Abenteuer und die Gefahr einer Suche leidenschaftliche Gefühle wecken konnten. Wenn das schon zwischen zwei so unterschiedlichen Menschen wie ihm und Maura möglich gewesen war, ein wie viel stärkeres Band könnte zwischen Maura und einem Mann geschmiedet werden, der ihrer viel würdiger war?
“Du traust Delyon nicht?” Maura rückte von Rath ab und ihre Stimme war so kalt wie der Wind im Diesseitsland. “Oder vertraust du mir nicht?” Noch bevor er sich von dem Schrecken erholen konnte, aus ihrem Mund seine geheimsten Ängste zu hören, fuhr sie fort: “Zweifelst du daran, dass ich dir helfen kann, die Han zu stürzen? Erwartest du, dass ich ruhig auf den Inseln zurückbleibe und Handarbeiten mache, während du ausziehst und dein Leben riskierst? Ich würde wahnsinnig werden vor Sorge!”
Er griff nach ihr. “So wie ich, wenn du so weitermachst.”
Sie entzog sich seiner Berührung, als wäre sie eine Art Fessel. “Du wirst mit Schlachten und anderen Dingen beschäftigt sein. Wieso kannst du nicht sehen, wie perfekt alles zusammenpasst? Du wirst deinen Teil zur Befreiung Umbrias beitragen: durch einen schnellen Sieg im Kampf.” Ihr Ton wurde etwas wärmer, als sie Langbards Worte zitierte: “Und ich werde auf die Art dienen, die am besten zu mir passt – mit List und Magie und dem Glauben an die Alten Wege.”
Und mit einem anderen Mann. Der Gedanke brannte in Raths Kopf, doch er sprach ihn nicht aus.
“Ich muss es tun und ich will es auch.” Die Endgültigkeit in Mauras Ton war nicht zu überhören. “Ich wünschte, du würdest meinen Entschluss unterstützen, aber ich kann nicht zulassen, dass du mich daran hinderst. Du bist mein Gatte, nicht mein Herr, dem ich immer gehorchen muss.”
Obwohl er wusste, dass es zwecklos war, versuchte er es noch ein letztes Mal. “Nicht immer.” Er tastete in der Dunkelheit nach ihr und streifte ihren nackten Arm. “Nur dieses eine Mal.”
Er machte sich auf ihre Antwort gefasst.
“Schlaf gut, Hoheit.” Maura rutschte zur äußersten Kante des Bettes.
Als ihm keine Entgegnung einfiel, die nicht alles nur noch schlimmer gemacht hätte, wandte Rath ihr schweigend den Rücken zu und versuchte zu schlafen.
Ihre Suche nach dem Wartenden König hatte ihn und Maura zusammengebracht. Rath stieß in der Dunkelheit einen Seufzer aus. Würde ihr Kampf zur Befreiung des Königreichs sie jetzt auseinanderreißen?
Als er am nächsten Morgen erwachte, musste er feststellen, dass sie nicht da war. Es überraschte ihn nicht, sie mit Delyon beim Frühstück zu finden. Zweifellos schmiedeten sie Pläne für ihr kleines Abenteuer.
Bevor Rath etwas sagen konnte, was er vielleicht bereut hätte, betrat glücklicherweise Idrygon den Innenhof. “Hoheit, da ist noch eine Sache, über die wir sprechen müssen. Wenn Ihr mit mir kommen wollt.”
“Meinetwegen.” Rath zuckte die Achseln. “Hab sowieso nichts Besseres zu tun.”
Er folgte Idrygon aus dem Haus hinaus auf einen schmalen Pfad, der bergauf führte. “Damit diese Invasion erfolgreich verläuft”, sagte Idrygon, “ist es äußerst wichtig, dass wir den Festlandbewohnern einen Wartenden König präsentieren, wie ihn die alten Schriften dem Volk versprechen.”
Rath gab einen vagen Laut der Zustimmung von sich. Er wusste nicht genau, wovon Idrygon sprach, doch er hasste es, seine Unwissenheit zu offenbaren. Wegen der Richtung, die sie einschlugen, fragte er sich, ob Idrygon ihn noch einmal zum Orakel führte.
“Ich fürchte, sie werden sich einem bekehrten Gesetzlosen aus dem Diesseitsland eher nicht anschließen.” Idrygon schlug nun doch eine andere Richtung ein und führte Rath in einen Teil
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