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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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Musste er sich etwa schon wieder seinen Weg durch diesen entsetzlichen Irrgarten suchen, um zu ihr zu gelangen? Die verschlungenen, verzweigten Wege waren auch nicht verwirrender als seine eigenen Gefühle.
    Rath war noch nicht weit gegangen, als das Kind ihm bereits entgegenkam.
    “Wenn Ihr nach Maura sucht, müsst Ihr sie verfehlt haben”, sagte es. “Kaum hatte ich mit ihnen gesprochen, eilten sie und die anderen auch schon davon.”
    “Sagten sie, wohin sie wollten?”, fragte er. “Was habt Ihr ihnen erzählt?”
    Bei seinem heftigen Ton zuckte das Kind erschrocken zusammen.
    Rath tat seine Grobheit leid. Um nicht wie ein Turm über dem Kind aufzuragen, ließ er sich auf ein Knie nieder und dämpfte die Stimme. “Sagtet Ihr Maura das Gleiche wie mir … das über meinen Erben?”
    Das Orakel schüttelte den Kopf. “Vielleicht hätte ich es tun sollen. Aber sie war so freundlich zu mir. Ich wollte ihr keinen Kummer bereiten. Ich warnte sie wegen etwas anderem. Ich hatte eine Vision, dass Mauras Schiff in einem aufziehenden Sturm hin und her geworfen wurde. Ich warnte sie, sie sollten warten, bis er vorüber sei, bevor sie lossegeln.”
    Idrygon würde sicher nicht erfreut sein, das zu hören. Seinem Plan nach sollten Maura und Delyon innerhalb von zwei Tagen lossegeln, bevor die Han die Küste aufmerksamer kontrollierten – was sie würden tun müssen, wenn seine Streitkräfte erst einmal im Norden gelandet waren.
    Dieser Aufschub würde Rath ein paar Tage Zeit verschaffen, in denen er die Dinge zwischen Maura und sich bereinigen konnte. Er richtete sich auf. “Danke, dass Ihr es mir gesagt habt.” Bevor er ging, fügte er noch hinzu: “Ihr macht Eure Sache gut, wisst Ihr? Als ich in Eurem Alter war, war ich auf mich allein gestellt, und ich habe mich in alle möglichen Schwierigkeiten gebracht.”
    “Ich weiß.” Das Kind sah aus, als müsste es sich ein Grinsen verkneifen. “Namma hatte eine Vision von Euch. Etwas von einer Brandstiftung in einer Wachstation der Han. Sie befürchtete, Ihr hättet euch schon zehn Mal selbst um Kopf und Kragen gebracht, bevor man Euch endlich Vernunft einbläuen könnte.”
    Rath prickelte die Kopfhaut. Seit Jahren hatte er nicht mehr an die hanische Wachstation gedacht. Doch Hunderte von Meilen entfernt hatte eine alte Frau alles gesehen und sich Sorgen um ihn gemacht. Jetzt hatte er noch größeren Respekt vor der Macht des Orakels … und es fiel ihm noch schwerer, nicht daran zu denken, was es in seiner Zukunft gesehen hatte. Wie schlimm musste es sein, nur flüchtige Blicke von kommenden Dinge erhaschen zu können, von verwirrenden Dingen, die nur schwer zu interpretieren waren, und dann den Menschen Warnungen zukommen zu lassen, die sie vielleicht gar nicht beachteten?
    Für einen Moment schob Rath sein Bedauern und seine Sorgen beiseite und antwortete augenzwinkernd auf das Grinsen des Kindes: “Man bläut mir auch heute noch Vernunft ein.”
    Kurze Zeit darauf schritt er den Hügel hinunter zurück zu Idrygons Haus und wünschte sich, er wäre so vernünftig gewesen, gleich hier zu bleiben und auf Mauras Rückkehr zu warten, anstatt ihr vergeblich hinterherzujagen.
    Je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass Idrygon es niemals billigen würde, wenn seine Pläne sich verzögerten. Wenn er mit der Aussendung Mauras und Delyons wartete, bis der Sturm vorüber war, dann dauerte es noch länger, bevor er es wagen konnte, Truppen an die Küste zu schicken.
    Raths Stimmung verdüsterte sich, als er in Idrygons Haus kein Zeichen von den anderen entdecken konnte.
    “Sie kamen nicht lange, nachdem Ihr gegangen wart.” Die Worte von Idrygons Frau klangen nach einer Entschuldigung. “Ich bin erstaunt, dass Ihr sie nicht unterwegs getroffen habt. Ich sagte meinem Gatten, dass Ihr nach Ihrer Hoheit sucht. Vielleicht wollten sie Euch entgegengehen.”
    Rath bezweifelte es. Wenn Idrygon wollte, dass Maura noch vor dem Sturm lossegelte, dann würde er sicher keine Zeit damit verschwenden, die Stadt nach ihrem Mann abzusuchen, damit sie ihm Lebewohl sagen konnte. Vorausgesetzt, sie wollte das überhaupt.
    “Falls sie hierher zurückkommen, sagt Ihnen, ich bin zum Hafen gegangen.”
    Er rannte davon, als würden hanische Soldaten hinter ihm herjagen. Um ein zu starkes Gefälle zu vermeiden, wanden sich die Straßen der Stadt um den Hügel herum. Der schnellste Weg zum Hafen bedeutete, die Abkürzungen zwischen den Häusern zu nehmen. Rath zog nicht

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