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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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es sei elegant zu hinken, genau wie ein Monokel zu tragen, und er könne zufrieden sein, Talleyrand zu ähneln, wo der doch sein Ahne sei. Dieses Detail, Talleyrands Hinken, war das einzige, was Marthe über den Mann wußte. Aber Louis wußte sehr wohl, daß Hinken nichts Verführerisches an sich hatte. Er empfand das vage Bedürfnis, mit seinem Knie Mitleid zu haben. Daran merkt man, daß ein Cognac gut ist und man zuviel davon getrunken hat. Die Welt war wüst genug, er hatte die Frau gefunden, die ans Ende dieses tragischen Überrests auf dem Baumgitter gehörte, er hatte recht gehabt, man hatte sie umgebracht, man hatte eine alte Frau umgebracht, ein klitzekleines Stückchen Frau und ein wilder Felsen, es gab einen Mörder in Port-Nicolas, der Hund hatte den Mörder an Bank 102 verraten, diesmal würde er dem Hund verzeihen, es reichte allmählich mit seinem Knie, er würde jetzt schlafen gehen, er würde nicht die ganze Nacht damit verbringen, sein Hinken zu beweinen, Talleyrand hatte es auch nicht getan, obwohl, doch, auf seine Weise.
    Hätte man ihm gesagt, er habe zuviel Cognac getrunken, so hätte er das nicht bestritten, es war die Wahrheit. Morgen, beim Empfang der Bullen von Quimper zur Aufnahme der Ermittlungen, würde er einen Brummschädel haben. Man hätte herausfinden müssen, ob Chevalier Kenntnis von dem zweiten Bericht hatte oder nicht, aber durch Einbruch ins Rathaus eindringen, um den Umschlag zu untersuchen, schien schwer vorstellbar. Das Rathaus dürfte sich nicht so leicht öffnen lassen wie eine Sardinenbüchse oder der Keller von Sevran. Er setzte sich wieder in Bewegung, zog sein Knie nach und kam auf den dunklen Platz, auf dem der Westwind blies, so stark er konnte. Das Rathaus war ein kleines, gut verschlossenes Gebäude. Und doch … Louis hob den Kopf. Da oben, im ersten Stock war ein kleines Fenster offengeblieben, dessen weißer Rahmen sich vor dem Nachthimmel abzeichnete. Ein kleines Fenster, es mußte das von den Toiletten sein, bestimmt nicht von einem Büro. Wie nachlässig. Und wie verlockend für einen Typen wie ihn. Eine unnötige Verlockung. Es gab zwar das Regenrohr, um sich festzuklammern, und die hohlen, ziemlich breiten Fugen zwischen den Granitsteinen, aber mit seinem Knie brauchte er gar nicht daran zu denken. Und das Fenster war zu schmal für einen Körper wie seinen, selbst wenn er nicht das Bein des hinkenden Teufels gehabt hätte. Dann eben kein Rathaus, und kein Chevalier, er würde diesem Typen schon auf andere Weise die Fische aus der Haut ziehen. Mit Maries Bild vor Augen verzog sich Louis in sein Hotel. Das Foto, das er in dem Bericht gesehen hatte, eine kleine Alte, die keiner Kröte was zuleide getan hätte. Ein Fliegengewicht, hatte der Bürgermeister gesagt. Die- oder denjenigen, der sie mit einem Stein erschlagen hatte, würde er seinen Schmutz und seine Sicherheit schon ausschwitzen lassen. Versprochen. Er dachte an seinen Vater, dort in Lörrach, weit weg, auf dem anderen Ufer des Rheins. Versprochen bei seinem Alten, er würde ihn seine Sicherheit ausschwitzen lassen.
    Er hatte gewisse Schwierigkeiten, den Schlüssel mit der erforderlichen Präzision ins Schloß seiner Zimmertür zu kriegen. Das ist das Problem mit dem Cognac. Man empfindet Mitleid mit seinem Knie, mit Marie, mit dem Rhein, und scheitert am Einführen des Schlüssels. Dabei hatte er schon das schwache Licht im Gang angemacht.
    »Kann ich dir helfen?« fragte eine Stimme hinter ihm.
    Louis drehte sich langsam um. Mit dem Rücken an die Wand des Gangs gelehnt, die Arme verschränkt, die Beine verschränkt, stand dort Marc und lächelte. Louis sah ihn einen Moment an, dachte, daß der Sprößling von Vandoosler wirklich ein Nervbolzen allererster Güte war und hielt ihm seinen Schlüssel hin.
    »Du kommst gerade recht«, sagte er nur. »Und nicht nur wegen dem Schlüssel.«
    Marc öffnete wortlos die Tür, machte das Licht an und sah Louis zu, wie er sich der Länge nach aufs Bett legte.
    »Fünf gut eingeschenkte Cognacs«, sagte er und verzog das Gesicht. »Guter, sehr guter, der Volksvertreter weiß, wie man empfängt, wir sind hier nicht irgendwohin geraten. Setz dich. Weißt du, daß Marthe mich auch den hinkenden Teufel nennt?«
    »Ist das eine Ehre?«
    »Für sie, ja. Für mich ist es ein Ärgernis. Du hinkst nicht, du bist klein und schmal, genau wie es sein muß.«
    »Das hängt davon ab, wofür.«
    »Für das Toilettenfenster ist es perfekt.«
    »Das ist ja schön. Worum

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