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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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hallo sagen will.«
    »›Hallo‹ oder ›Hallo, was ist denn in dich gefahren, diesen Typen zu heiraten?‹? Du wirst dich nicht amüsieren, Louis«, sagte Marc und stand auf. »Mit verlorenen Frauen heißt es, Kopf hoch, fliehen wir, das ist mein System, Kopf hoch, weinen wir, Kopf hoch, bringen wir uns um, Kopf hoch, versuchen wir, eine andere zu lieben, Kopf hoch, fliehen wir, es beginnt alles von vorn, ich sage dir, du wirst nur Chaos anrichten, ich nehme morgen abend den Zug.«
    Louis lächelte.
    »Na und?« fragte Marc. »Findest du das lustig? Vielleicht hast du sie im Grunde gar nicht so geliebt. Schau, du bist die Ruhe selbst.«
    »Weil du nervös bist für zwei. Je mehr du dich aufregst, desto stärker beruhige ich mich, du tust mir sehr gut, heiliger Markus.«
    »Übertreib’s nicht. Du bedienst dich schon meines rechten Beins, als ob es deins wäre, ohne zu fragen, das ist schon genug. Dienstbare Typen, die dir einfach so, umsonst, ein Bein leihen, kannst du lange suchen. Wenn du außerdem noch daran denkst, meine natürliche Ängstlichkeit auszunutzen, um dir dann die gebratenen Tauben in den Mund fliegen zu lassen, ist das widerlich. Es sei denn«, fügte er nach kurzem Schweigen und mehreren Schlucken hinzu, »du würdest mir was von den Tauben abgeben, das wäre noch zu bereden.«
    »Pauline Darnas, so heißt diese Frau, war sehr sportlich«, sagte Louis und ging um Marc herum. »Sie machte Vierhundert-Meter-Läufe.«
    »Mir egal.«
    »Sie ist inzwischen siebenunddreißig, zu alt zum Laufen, also betreibt sie den Sport jetzt als Rubrik in der Regionalzeitung. Sie ist zwei bis drei Mal die Woche in der Redaktion, sie weiß eine Menge über die Leute hier.«
    »Idiotischer Vorwand.«
    »Zweifellos. Man braucht einen idiotischen Vorwand, um einen bösen Hintergedanken zu verbergen. Und dann muß ich mir noch einen Typen näher ansehen.«
    Marc zuckte mit den Schultern und wagte einen Blick in den Hals seiner leeren Falsche. Unglaublich, was man alles sehen kann, wenn man einen Blick in eine leere Flasche wirft.

17
    Louis schaffte es, gegen neun Uhr aufzustehen. Er wollte sich beeilen, hallo zu sagen, so war es getan, und zwar je früher, desto besser, da er nun mal nicht anders konnte. Marc hatte recht, er hätte es vermeiden sollen, ihr Gesicht nicht sehen, den Ehemann nicht anschauen, aber nichts zu machen, er hatte nie die Vernunft besessen, etwas zu vermeiden, er wollte Scherereien machen. Solange er kein Spektakel veranstalten würde, eines jener sanftmütigen Spektakel, die die Leute ganz außer sich brachten, würde alles mehr oder weniger gut gehen. Solange er sich nicht wie ein beißend ironischer Dreckskerl aufführen würde. Alles hing davon ab, wie er auftreten würde. Traurig und mittelmäßig wäre das alles so oder so, Pauline hatte schon immer Kohle haben wollen, das war mit den Jahren sicher noch schlimmer geworden und wäre mies anzusehen. Aber genau das war es, was er sehen wollte. Etwas Mieses, Pauline eingelegt in Geldscheine und Fischsaft, Pauline, wie sie mit dem kleinen Mann schlief und die Augen dabei geschlossen hatte, Pauline ohne Glanz, ohne Geheimnis, eingezwängt in die engen Gänge ihrer schlechten Neigungen. Und wenn er das gesehen hätte, würde er nie wieder daran denken, es wäre ein für immer geräumtes Feld. Marc täuschte sich, er hatte nicht vor, mit ihr zu schlafen, er wollte nur sehen, in welchem Maße er nicht mehr mit ihr schlafen wollte.
    Aber Vorsicht, sagte er sich, als er das Hotel verließ, kein sanftmütiges Spektakel, keine rachsüchtige Ironie, zu einfach, zu grob, unbedingt darauf achten, sich zurückzuhalten. Er war verwundert, keinen einzigen Polizeiwagen vor dem Rathaus zu sehen. Der Bürgermeister schlief sicher noch und würde die Bullen im Lauf des Vormittags schlaff anrufen, und das wäre ein weiterer Vorsprung für den Mörder. Das Gesicht der auf den Felsen zerschmetterten Alten, das Gesicht des schlafenden Bürgermeisters, das Gesicht von Pauline im Bett des Typen, das Gesicht einer Stadt von Arschlöchern. Vorsicht, kein Spektakel.
    Er wurde am Empfang des Zentrums für Thalassotherapie vorstellig, stützte sich auf seine ein Meter neunzig, darauf bedacht, sich sehr aufrecht, sehr gerade zu halten, und bat darum, Pauline Darnas zu sprechen, da dies ihr neuer Name war. Nein, es gehe nicht um eine Aufnahme, er wolle Pauline Darnas sprechen. Vormittags empfange sie niemanden? Gut, einverstanden, ob man wohl die Liebenswürdigkeit besäße,

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