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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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von sich gestreckt. Der Cognac war gut, der Bürgermeister veränderte sich spürbar, er wartete, daß die Überlegungen im Kopf des Mandatsträgers sich klärten. Aber er hätte gerne gewußt, ob Chevalier den zweiten Bericht gekannt hatte oder nicht, ob er an diesem Abend überrascht gewesen war oder ob er am Morgen gelogen hatte, in der Hoffnung, Louis würde nicht weiter suchen. Unmöglich, das bei einem solchen Typen zu wissen. Das Phlegma seiner Züge, die Unbekümmertheit seines verschwommenen Körpers löschten jegliche Wahrnehmung seiner Gedanken aus. Man hätte meinen können, daß seine Gedanken sich verloren, bevor sie die Oberfläche und das Tageslicht erreichten. Alles an ihm blieb unterschwellig, fließend, in einer gewissen Wassertiefe. Er war ein extrem fischiger Typ. Was Louis ahnen ließ, daß er diese hellen runden Augen, die er schon einmal irgendwo gesehen zu haben glaubte, schlicht und einfach beim Fischhändler in der Auslage gesehen hatte. Louis warf dem alten Hund einen Blick zu, um zu sehen, ob er Fischaugen hatte, aber die Bulldogge schlief, während sie auf die Steinplatten am Boden sabberte.
    »Moment mal«, sagte Chevalier plötzlich. »Einverstanden, die Tatsachen geben Ihnen recht, der Pitbull von Sevran kann den Zeh von Marie gefressen haben, was widerlich ist und mich bei dem Hund nicht wundert, ich habe Sevran oft gewarnt. Aber noch mal: Ja, und? Marie ist gestürzt und dabei zu Tode gekommen, und der Hund, der umherstreunte, wie es seine abscheuliche Art ist, und aasfressend wie sonst keiner – auch wenn alle Hunde so sind, das ist ihre Natur, was kann man da machen –, und der Hund ist also am Strandstreifen vorbeigekommen und hat ihren Zeh gefressen. Noch mal: Ja, und? Sie werden doch keinen Hund vor Gericht zerren, weil er eine Leiche verstümmelt hat?«
    »Nein.«
    »Sehr gut, die Sache ist abgeschlossen. Sie haben die Frau gefunden, die Sie gesucht haben, und es gibt nichts mehr zu sagen.«
    Der Bürgermeister füllte erneut die beiden Gläser.
    »Trotzdem noch eine Kleinigkeit«, sagte Louis. »Ich habe den Knochen am Freitag früh gefunden, nach dem nächtlichen Regen, aber er lag schon gegen ein Uhr morgens am Donnerstag abend auf dem Baumgitter. Sevrans Hund ist zwischen zwei Uhr nachmittags, als das Baumgitter noch sauber war, und ein Uhr morgens, als ich den Hundehaufen bemerkt habe, dort vorbeigekommen.«
    »Sie haben ja hübsche Beschäftigungen. Ein ganzes Leben im Innenministerium – das richtet einen ganz schön zu. Das ist Pedanterie, Besessenheit.«
    »Wie auch immer, der Hund ist dort zwischen Donnerstag abend und ein Uhr morgens vorbeigekommen.«
    »Aber natürlich, verdammt noch mal! Sevran fährt jeden Donnerstag abend nach Paris! Er hat Freitag Unterricht an der Technischen Hochschule! Gegen sechs Uhr abends fährt er los, um ohne Aufenthalt gegen Mitternacht da zu sein. Den Hund nimmt er immer mit, Lina will nicht mit ihm allein bleiben, und unter uns gesagt, das finde ich richtig.«
    Chevalier verwendete den Ausdruck »unter uns gesagt« überreichlich, was nicht zu seiner Wesensart paßte. Er war kein Mann, der einem anvertraute, was unter der Oberfläche seiner Wasser trieb.
    »Also«, fuhr der Bürgermeister fort und leerte seinen Cognac in einem Zug, »läßt Sevran gleich, wenn er ankommt, den Hund raus, normal bei diesem Tier. Soweit, so gut, ich werde wieder einmal ein paar Takte mit Sevran über seinen Hund reden. An Leichen herumzunagen ist nicht hinnehmbar. Entweder leint er ihn an, oder ich ergreife Maßnahmen.«
    »Nicht gegen den Hund wird man Maßnahmen ergreifen müssen.«
    »Sagen Sie, Kehlweiler, Sie haben doch nicht etwa vor, den Ingenieur für diese Barbarei verantwortlich zu machen?«
    »Den Ingenieur?«
    »Sevran. So wird er hier genannt.«
    »Nicht unbedingt Sevran, aber jemanden ganz bestimmt.«
    »Jemanden? Jemanden, der den Fuß von Marie abgeschnitten haben soll, um ihn dem Hund zu fressen zu geben? Finden Sie nicht, daß Sie die Geschichte ein bißchen weit treiben? Der Gerichtsmediziner hat gesagt, der Zeh sei nicht abgeschnitten worden. Können Sie sich vorstellen, daß ein Mensch die Leiche mit seinen Zähnen bearbeitet? Sie liegen falsch, Kehlweiler.«
    »Herr Bürgermeister, schenken Sie uns noch einen Cognac ein und holen Sie mir einen Gezeitenkalender, seien Sie bitte so freundlich.«
    Chevalier wich leicht zurück. Es kam selten vor, daß man ihm eine Anweisung erteilte, noch dazu in einem so unbeschwerten Ton. Ein

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