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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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spielte, fielen die Haare in dunklen Strähnen in die Stirn, sein Hemd war halb aus der Hose gerutscht, die Ärmel bis zu den Ellbogen hochgeschoben. Etwa ein Dutzend Männer und Frauen saßen und standen reglos um den Billardtisch, Muscadet-Gläser in der Hand, Zigaretten im Mund; sie verließen die Partie, um sich die Bullen aus Quimper genauer anzusehen. Guerrec war sehr klein, hatte einen schmalen Kopf und schwer zu beschreibende Züge, einen verschwommenen Blick, relativ blonde, kurze, spärliche Haare. Louis legte das Billardqueue über das Tuch und schüttelte ihm die Hand.
    »Louis Kehlweiler, freut mich, Sie kennenzulernen. Erlauben Sie, daß ich zu Ende spiele? Ich habe nämlich schon eine Partie verloren.«
    »Machen Sie nur«, sagte Guerrec, ohne zu lächeln.
    »Entschuldigen Sie mich, aber ich hatte einen sehr spielbegeisterten Ahnen. Ich hab das im Blut.«
    Gut, dachte Louis, der Typ ist geschickt, er nutzt seine Autorität nicht gleich voll aus. Er wartet, umkreist, läßt sich von Kleinigkeiten nicht irritieren.
    Zehn Minuten später hatte Louis Lefloch geschlagen, versprach eine Revanche, zog seinen Pullover und seine Jacke an und folgte dem Polizisten. Diesmal führte ihn Guerrec ins Rathaus. Louis wurde bewußt, daß er die dunst–, schweiß- und tabakgeschwängerten Räume des Café de la Halle mit Bedauern verließ. Dieser Ort war ein Bestandteil von ihm geworden, und in der unermeßlichen Heerschar von Cafés, die sein Gedächtnis und sein inneres Leben strukturierten, hatte das Café de la Halle unerklärlicherweise einen Platz in den vordersten Reihen seiner Zuneigung eingenommen.

23
    Während er sich mit Guerrec unterhielt, der ein vorsichtiger, nicht unangenehmer, aber nicht sehr unterhaltsamer Mann war, fand Louis das Papier in seiner linken Jackentasche. Guerrec war gerade dabei, ihm zu erklären, daß Diego, Diego Lacasta Rivas, Spanier war und daß aus der Zeit vor seinem fünfzigsten Lebensjahr, in dem er begonnen hatte, für Sevran zu arbeiten, nichts über ihn bekannt war. Er würde die Spanier informieren müssen, und das erfreute ihn nicht gerade. Aber um spurlos zu verschwinden, hätte Diego ernsthafte Gründe haben müssen, Gründe, die Marie, die noch immer auf ihn wartete, zweifellos kannte. Wer weiß, ob er nicht zurückgekommen war? Wer weiß, ob er nicht Marie umgebracht hatte? Beim Zuhören hatte Louis die Hand in die Tasche gesteckt und das Papier gefunden. Ein zusammengeknülltes Stück Papier, das dort nicht hätte sein dürfen, da er das zusammengeknüllte Stück Zeitungspapier mit dem Knochen an Guerrec übergeben hatte. Er faltete es auseinander, ohne den Inspektor zu unterbrechen.
    »Kehlweiler«, sagte Guerrec, »hören Sie mir eigentlich zu?«
    »Lesen Sie das hier, Leutnant, aber fassen Sie nicht mit den Fingern drauf, ich habe schon überall meine Fingerabdrücke hinterlassen.«
    Kehlweiler streckte Guerrec einen kleinen weißen, zerknitterten Papierstreifen hin, der an den Rändern eingerissen war. Die kurzen Zeilen waren mit der Maschine geschrieben.
     
    Es gab da ein Paar in der Hütte Vauban, aber alle halten die Klappe. Worauf warten Sie noch, anstatt Zeit zu vertrödeln und die 7 doch nicht zu treffen?
     
    »Woher kommen diese Zeilen?« fragte Guerrec.
    »Aus meiner Tasche.«
    »Schon wieder?«
    »Diesmal kann ich nichts dafür. Jemand muß mir das Papier vorhin im Café in die Jacke gesteckt haben. Als ich die Bar um drei betreten habe, war es noch nicht drin.«
    »Wo war Ihre Jacke?«
    »Neben dem Billardtisch, sie hing zum Trocknen über einem Stuhl.«
    »War das Papier zusammengeknüllt?«
    »Ja.«
    »Was ist das für eine Geschichte mit der 7?«
    »Eine Billardkugel, die Nummer 7. Ich habe sie am Ende der Partie dreimal gespielt, aber es nicht geschafft, sie zu versenken.«
    »Das ist schlecht geschrieben.«
    »Aber klar.«
    »Ein Paar …«, murmelte Guerrec. »Wenn an jenem Abend ein unrechtmäßiges Paar in der Hütte war, hat Marie sie vielleicht überrascht, und einer der beiden hat sie womöglich umgebracht. Das klingt logisch, so was ist schon vorgekommen, vor gerade mal vier Jahren in Lorient. Nur … warum eine anonyme Nachricht? Und warum benennt der Verfasser das Paar nicht? Warum wendet er sich an Sie? Warum im Café? Warum diese 7, was hat die da zu suchen?«
    »Sehr unpassend«, sagte Louis leise.
    »Unnötige Fragen«, fuhr Guerrec wie zu sich selbst gewandt fort und zuckte mit den Schultern. »Wir rühren hier an die dunklen

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