Das Osterman-Wochenende - Ludlum, R: Osterman-Wochenende
Tremayne stand an dem großen Erkerfenster und blickte auf den Rasen seines Vierundsiebzigtausend-Dollar-Ranch-Hauses hinaus. »Ist das nicht komisch. Wahrscheinlich hast du recht. Ich bin einer der besten, die es gibt, in einem System, das ich verachte ... Ein System, das Tanner in einem seiner Programme in Stücke reißen würde, wenn er wüßte, was wirklich dahinter steckt. Und das ist es, was dieser Zettel hier meint.«
»Ich glaube, du hast unrecht. Ich glaube, das ist jemand, den du einmal geschlagen hast und der sich an dir rächen möchte. Der Versuch, dir Angst zu machen.«
»Das ist ihm dann auch gelungen. Was dieser – Blackstone mir sagt, ist nichts, was ich nicht schon weiß. Was ich bin und was ich tue, macht mich zu Tanners natürlichem Feind. Er würde das zumindest so sehen. Wenn er die Wahrheit wüßte.«
Er sah sie an und zwang sich zu einem Lächeln. »Die in Zürich kennen die Wahrheit.«
6.
Dienstag — 9.30 Uhr , Kalifornische Zeit
Osterman schlenderte ziellos auf dem Studiogelände herum und versuchte Ablenkung von dem Anruf in der frühen Morgenstunde zu finden. Aber er kam nicht davon los.
Weder er noch Leila hatten wieder einschlafen können. Sie
hatten versucht, die einzelnen Möglichkeiten zu überprüfen und einzuschränken. Und als sie damit nicht weiter kamen, hatten sie sich der viel wichtigeren Frage zugewandt, weshalb dieser Anruf gekommen war.
Warum war gerade er angerufen worden? Was stand dahinter? Arbeitete Tanner wieder an einem seiner Exposés?
Wenn ja, dann hatte das nichts mit ihm zu tun. Nichts mit Bernie Osterman.
Tanner sprach nie über Einzelheiten seiner Arbeit. Nur ganz allgemein. Er hatte sehr ausgeprägte Vorstellungen von dem, was er für Ungerechtigkeit hielt, und da die beiden Männer häufig unterschiedlicher Meinung waren über das, was in einer freien Wirtschaftsform als fair oder unfair gelten mußte, vermieden sie es, auf Einzelheiten einzugehen.
Bernie sah in Tanner einen Kreuzfahrer, der nie zu Fuß gegangen war. Er hatte es nie miterlebt, wie ein Vater nach Hause kam und mitteilte, er habe am nächsten Tag keine Stellung mehr. Oder eine Mutter, die eine halbe Nacht aufblieb und das abgetragene Kleidungsstück eines Kindes, das am nächsten Morgen wieder zur Schule mußte, zusammenflickte. Tanner konnte sich seine Indigniertheit leisten und hatte gute Arbeit geleistet. Aber es gab Dinge, die er nie begreifen würde. Das war auch der Grund, weshalb Bernie nie mit ihm über Zürich gesprochen hatte.
»Hey, Bernie, Augenblick mal!« Ed Pomfret, ein rundlicher, unsicherer Produzent in mittleren Jahren holte ihn auf dem Bürgersteig ein.
»Hello, Eddi. Wie geht’s denn?«
»Prima! Ich hab’ versucht, Sie in Ihrem Büro zu erreichen. Das Mädchen hat gesagt, Sie wären ausgegangen.«
»Nichts zu tun.«
»Ich hab’s schon gehört, Sie ja wahrscheinlich auch. Ich freue mich darauf, mit Ihnen zu arbeiten.«
»Wie? — Nein, ich hab’ nichts gehört. Woran arbeiten wir denn?«
»Was soll das denn? Machen Sie Witze?« Pomfret wirkte fast beleidigt. Gerade als wüßte er, daß Osterman ihn für zweitklassig hielt.
»Keine Witze. Ich mache hier noch diese Woche dicht. Wovon reden Sie denn? Wer hat Sie angesprochen?«
»Dieser neue Mann aus der Planungsabteilung hat mich heute morgen angerufen. Ich hänge doch in der Interceptor-Serie drin. Er sagte, Sie würden vier Episoden schreiben. Mir sagt die Idee zu.«
»Welche Idee?«
»Das Exposé für die Story. Drei Männer, die an einem großen, geheimen Geschäft in der Schweiz arbeiten. Hat mich sofort gepackt.«
Osterman blieb stehen und blickte auf Pomfret hinunter.
»Wer hat Ihnen das aufgebunden?«
»Mir was aufgebunden?«
»Es gibt keine vier Episoden. Keine Exposés. Kein Geschäft. Und jetzt sagen Sie mir, was Sie mir sagen wollen. «
»Sie müssen Witze machen. Bilden Sie sich ein, ich würde jemanden wie Sie oder Leila auf den Arm nehmen wollen? Ich war wirklich sehr geschmeichelt. Die Planung hat mir am Telefon gesagt, ich soll Sie anrufen und mir die Exposés beschaffen! «
»Wer hat Sie angerufen?«
»Wie heißt er denn – dieser neue Mann, den die Planung aus New York geholt hat.«
»Wer?«
»Hat mir seinen Namen gesagt – Tanner. Ja, das ist’s. Tanner. Jim Tanner, John Tanner...«
»John Tanner arbeitet nicht hier! So, und jetzt möchte ich
wissen, wer Sie auf mich angesetzt hat?« Er packte Pomfret am Arm. »Heraus damit, Sie Mistkerl!«
»Nehmen Sie die Hände
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