Das Osterman-Wochenende - Ludlum, R: Osterman-Wochenende
Abend. Ich komme für die Getränke auf: Dewars White Label mit viel Soda für Sie und Scotch on the Rocks mit einem Spritzer Wasser für Ihre Frau.«
»Du lieber Gott? Wenn Sie jetzt noch anfangen, unser Sexualleben... «
»Lassen Sie mich nachsehen...«
»Gehen Sie zum Teufel«, lachte Tanner erleichtert. »Auf den Abend komme ich zurück.«
»Sollten Sie auch. Wir würden uns gut verstehen.«
»Sagen Sie den Tag, und wir kommen.«
»Das mache ich am Montag. Ich melde mich. Sie haben die Notrufnummer für die Zeit außerhalb der Bürostunden. Zögern Sie nicht anzurufen.«
»Wird gemacht. Ich bin morgen im Büro.«
»Fein. Und tun Sie mir einen Gefallen. Sehen Sie keine weiteren Programme über uns vor. Meine Chefs mochten das letzte nicht.«
Tanner erinnerte sich. Das Programm, auf das Fassett sich bezog, war eine Woodward Show gewesen. Der Verfasser hatte sich den Titel Caught in the Act 5 für die Buchstaben CIA ausgedacht. Das lag fast genau ein Jahr zurück. »Es war nicht schlecht«, schmunzelte er.
»Aber auch nicht gut. Ich hab’ es gesehen. Ich wollte darüber lachen, aber ich brachte es nicht fertig. Ich war mit dem Direktor zusammen – in seinem Wohnzimmer. Caught in the Act ! Jesus!« Wieder lachte Fassett, was Tanner mehr beruhigte, als er für möglich gehalten hätte.
»Danke, Fassett.«
Tanner legte den Hörer auf und drückte seine Zigarette aus. Fassett war ein gründlicher Profi, dachte er. Und Fassett hatte recht. Niemand konnte an Ali und die Kinder heran. Wer weiß, vielleicht hatte das CIA sogar Scharfschützen in den Bäumen versteckt. Für ihn blieb genau das, was Fassett gesagt hatte: nichts. Er mußte einfach seinen Geschäften wie üblich nachgehen. Kein Bruch der Routine, keine Abweichung von der Norm. Er hatte das Gefühl, die Rolle jetzt spielen zu können. Der Schutz, der ihm und seiner Familie geboten wurde, war alles, was Fassett zugesagt hatte.
Aber ein Gedanke störte ihn, und je mehr er darüber nachdachte, desto mehr beunruhigte er ihn.
Es war fast vier Uhr nachmittags. Die Tremaynes, die Cardones und die Ostermans waren inzwischen alle kontaktiert worden. Man hatte angefangen, sie unter Druck zu setzen. Aber keiner von ihnen hatte es für richtig gehalten, die Polizei zu rufen. Oder auch nur, ihn zu rufen.
War es wirklich möglich, daß sechs Leute, die jahrelang seine Freunde gewesen waren, gar nicht das waren, was sie zu sein schienen?
10.
Dienstag – 9.40 Uhr, Kalifornische Zeit
Der Karmann Ghia bog vom Wilshire Boulevard in den Beverly Drive. Osterman wußte, daß er die für Los Angeles zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten; es schien ihm völlig unwichtig. Er konnte an nichts anderes als die Warnung denken, die er gerade erhalten hatte. Er mußte nach Hause, zu Leila. Sie mußten jetzt ernsthaft miteinander reden. Sie mußten entscheiden, was zu tun war.
Warum hatte man sie ausgewählt?
Wer war es, der sie warnte? Und in welcher Angelegenheit?
Leila hatte wahrscheinlich recht. Tanner war ihr Freund, einer der besten Freunde, die sie je gehabt hatten. Aber er war auch ein Mann, der bei aller Freundschaft Zurückhaltung zu schätzen wußte. Es gab Bereiche, die man nicht berühren durfte. Es gab immer eine gewisse Distanz, eine dünne Glaswand, die sich zwischen Tanner und alle anderen Menschen schob. Ali natürlich ausgenommen.
Und Tanner besaß jetzt Informationen, die sie irgendwie betrafen, die für ihn und Leila etwas bedeuteten. Und Zürich hatte damit zu tun. Aber, Herrgott, wie ?
Osterman erreichte die Einfahrt zum Mulholland Hill und fuhr schnell hinauf, vorbei an den Villen jener Leute, die sich ganz oben oder in der Nähe der Spitze des Spektrums von Hollywood befanden. Einige der Häuser begannen bereits zu verblassen, um nicht zu sagen, herunterzukommen, zerfallende Relikte ehemaliger Extravaganz. Die Geschwindigkeitsbeschränkung in Mulholland betrug dreißig. Ostermans Tachometer zeigte einundfünfzig. Er drückte das Gaspedal nieder. Er hatte jetzt entschieden, was zu tun war.
Er würde Leila abholen und nach Malibu fahren. Dann würden sie sich eine Telefonzelle an der Straße suchen und Tremayne und Cardone anrufen.
Das klagende Heulen der Sirene, das immer lauter wurde, ließ ihn zusammenzucken. In dieser Stadt der Kulissen und Fassaden war das ein Klangeffekt. Es war nicht echt, nichts hier war echt. Es konnte nicht ihm gelten.
Aber das tat es natürlich doch.
»Officer, ich wohne hier. Osterman. Bernard
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