Das Osterman-Wochenende - Ludlum, R: Osterman-Wochenende
nicht einfach wegfahren! Ich sehe Tanner jeden Tag. Im Club. Im Zug. Was zum Teufel soll ich denn denken, was sagen?«
»Sie meinen, wonach Sie Ausschau halten sollen? Wenn ich Sie wäre, würde ich mich so verhalten, als ob nichts geschehen wäre. Als ob wir uns nie begegnet wären... Vielleicht macht er Andeutungen – wenn Sie die Wahrheit sagen -, vielleicht sucht er. Dann werden Sie es wissen.«
Tremayne richtete sich auf, kämpfte um Fassung. »Ich glaube, es wäre für uns alle am besten, wenn Sie mir sagten, wen Sie vertreten. Das wäre wirklich am besten.«
»Oh, nein, mein Freund.« Blackstones Antwort war von einem kurzen Lachen begleitet. »Sie müssen wissen, uns ist aufgefallen, daß Sie sich in den letzten paar Jahren eine beunruhigende Angewohnheit zugelegt haben. Nichts Ernsthaftes, im Augenblick wenigstens, aber etwas, was wir in Betracht ziehen müssen.«
»Was für eine Angewohnheit?«
»In gewissen Zeitabständen trinken Sie zuviel.«
»Das ist lächerlich!«
»Ich sagte ja, nichts Ernstes. Ihre Arbeit ist brillant. Dennoch haben Sie in solchen Zeiten nicht die übliche Kontrolle über sich. Nein, es wäre ein Fehler, Sie damit zu belasten, besonders in Ihrem augenblicklichen Zustand der Angst.«
»Gehen Sie nicht. Bitte!«
»Wir melden uns wieder. Vielleicht erfahren Sie etwas, das uns weiterhilft. Jedenfalls, wir beobachten Ihre – Arbeit stets mit großem Interesse.«
Tremayne zuckte zusammen. »Was ist mit den Ostermans? Das müssen Sie mir sagen.«
»Wenn Sie in Ihrem Juristenkopf ein Hirn haben, werden Sie gegenüber den Ostermans nichts erwähnen! Nicht einmal eine Andeutung machen! Wenn Osterman mit Tanner zusammenarbeitet, werden Sie das erfahren. Wenn nicht, sollten Sie ihn nicht auf irgendwelche Gedanken über Sie bringen.« Blackstone setzte sich auf den Fahrersitz des Mercedes und ließ den Motor an. Ehe er wegfuhr, sagte er: »Behalten Sie klaren Kopf, Mr. Tremayne. Wir melden uns wieder. «
Tremayne versuchte Ordnung in seine Gedanken zu bringen; er spürte, wie sein Augenlid wieder zuckte. Gottseidank hatte er Tanner nicht erreicht! Unvorbereitet hätte er vielleicht etwas gesagt – etwas Dummes, Gefährliches.
War Osterman ein solch gigantischer Narr gewesen – oder
Feigling –, um John Tanner gegenüber die Wahrheit über Zürich verlauten zu lassen? Ohne sie zu befragen?
Wenn das der Fall war, würde man Zürich verständigen müssen. Zürich würde sich um Osterman kümmern. Ans Kreuz würden sie ihn schlagen.
Er mußte Cardone finden. Sie mußten entscheiden, was zu tun war. Er rannte zur nächsten Telefonzelle.
Betty sagte ihm, Joe wäre ins Büro gefahren. Cardones Sekretärin sagte ihm, Joe sei noch in Urlaub.
Joe trieb Spielchen. Das Zucken über Tremaynes linkem Auge nahm ihm fast die Sicht.
9.
Dienstag – 7.00 Uhr
Tanner konnte nicht schlafen, er ging in sein Arbeitszimmer, und die grauen Scheiben der drei Fernsehgeräte zogen seinen Blick an. Etwas Totes, Leeres war in ihnen. Er zündete sich eine Zigarette an und setzte sich auf die Couch. Dann dachte er über Fassetts Instruktionen nach: ruhig bleiben, nichts zu Ali sagen. Das hatte Fassett einige Male wiederholt.
Die einzig wirkliche Gefahr würde sich dann einstellen, wenn Ali zur falschen Person etwas Falsches sagte. Gefahr für Ali. Aber Tanner hatte seiner Frau nie etwas vorenthalten. Er war nicht sicher, ob er es schaffen würde. Die Tatsache, daß sie immer offen zueinander waren, war die stärkste Bindung in ihrer starken Ehe. Selbst wenn sie sich stritten, gab es da nie die Waffe unausgesprochener Anklagen. Alice McCall hatte als Kind davon genug gehabt.
Aber Omega würde ihr Leben verändern, zumindest für
die nächsten sechs Tage. Das mußte er akzeptieren, weil Fassett gesagt hatte, daß es für Ali so am besten sein würde.
Die Sonne war inzwischen aufgegangen. Der Tag begann, und die Cardones, die Tremaynes und die Ostermans würden bald unter Druck stehen. Tanner fragte sich, was sie tun würden, wie sie reagieren würden. Er hoffte, daß alle drei Ehepaare Kontakt zu den Behörden suchen und damit beweisen würden, daß Fassett unrecht hatte. Dann würde wieder die Vernunft einziehen.
Aber es war möglich, daß der Wahnsinn gerade begonnen hatte. Wie auch immer, er würde zu Hause bleiben. Wenn Fassett recht hatte, würde er da sein, bei Ali und den Kindern. Über diese Entscheidung hatte Fassett keine Kontrolle.
Er würde Ali glauben lassen, daß er sich eine
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