Das Paket mit dem Totenkopf
nicht bestohlen worden, sondern
du hättest die Unterlagen an die Konkurrenz verkauft?“
„Ich glaube ja nicht, daß es
dazu kommt“, sagte sie tapfer, „trotzdem ist die Situation schrecklich für
mich.“
Tarzan stand reglos da. Daß er
die Fäuste ballte, wurde ihm nicht bewußt. Speiübel war ihm — vor Kummer.
Schuldgefühl drückte auf seine Schultern wie eine Zentnerlast. Er wußte genau:
Nicht gegen seine Mutter richtete sich dieser Diebstahl, sondern gegen ihn.
Deshalb also war Boxernase Zaulich ins Hotel gekommen. Vorhin auf dem Bahnhof
hatte Detlef Egge hinter dem Kiosk gestanden — und die Worte seiner Mutter
gehört: „Achte besonders auf den Aktenkoffer! Da sind wichtige Dokumente
drin.“ Und Zaulich — oder wie auch immer der heißen mochte — hatte sich
dann als Hoteldieb betätigt. Ein Verbrecher! Einer, der immer Nachschlüssel bei
sich hat! Und wozu dieser Diebstahl? Auch das war klar. Detlef Egge fühlte sich
bedroht. Er brauchte ein Druckmittel, um Tarzan und seine Freunde gefügig zu
machen, um sie zu erpressen, damit sie nichts verraten. Das hatte er jetzt. Mit
dem Taxi war es ihm von Boxernase gebracht worden — vor dessen Abreise.
Meine Schuld! dachte Tarzan.
Durch mich kommt meine Mutter nichtsahnend in diese Situation. O verflucht! So
ein Lumpenpack! Was mache ich jetzt? Soll ich Mutti alles sagen? Sie käme um
vor Angst. Sie müßte die Polizei verständigen, und die würde die Sache
vermasseln. Welche Beweise habe ich denn? Überhaupt nichts. Eine Haussuchung
bei Detlef Egge brächte weder das Rauschgift noch den Aktenkoffer an den Tag.
So schlau ist dieser Schweinehund auch. Nein, es muß anders gehen. Himmel, wie
sage ich’s nur?
Frau Carsten hatte sich etwas
gefaßt.
„Ich muß die Polizei anrufen“,
sagte sie. Seufzend griff sie zum Telefon.
„Mutti, bitte... äh... warte
noch.“
Verwundert sah sie ihn an. Die
Wut stand ihm ins Gesicht geschrieben. Aber er bemühte sich, kaltes Blut zu
bewahren. Das war jetzt besonders wichtig.
„Ja, Peter?“
„Laß das mit der Polizei.“
„Wie bitte? Ich muß doch...“
Sie sprach nicht weiter. Unter
ihrem forschenden Blick senkte er den Kopf.
„Mutti, bitte! Nicht die
Polizei! Dann erfährt es doch sofort deine Firma. Bitte, frag nicht, was ich
vorhabe. Aber überlaß alles mir. Du wirst die Sachen wiederbekommen. Bestimmt.
Ich glaube nämlich, ich weiß, wer hinter diesem gemeinen Diebstahl steckt. Es
geht... um eine Sache unter uns Schülern. Ich kann wirklich nicht darüber
reden. Denn ich möchte nicht, daß du dir unnötige Sorgen machst. Ich kann das
regeln, und ich werde es auch. Diese Mistkerle ziehen dich in die Sache rein,
um mir eins auszuwischen. Im Grunde eine Kinderei. Polizei wäre da völlig
unnötig.“
Er lächelte, aber es sah recht
gequält aus, wie eine Grimasse.
Nachdem er das gesagt hatte,
war es lange still im Zimmer. Die Zentralheizung rauschte leise. Weit hinten
auf dem Hotelflur hörte man Stimmen. Vor dem Fenster, das zur Straße lag,
schwebten Schneeflocken vorbei. Es war eine Seitenstraße. In dem Haus gegenüber
brannte Licht. Tarzan konnte in ein Fenster hineinsehen. Von einer jungen Frau
wurde in einem Speisezimmer der Tisch zum Abendessen gedeckt. Die Frau lächelte
vor sich hin. Sie hatte bestimmt keine Sorgen mit Dieben, Rauschgiftdealern und
hinterhältigen Lumpen.
Lange sah Frau Carsten ihren
Sohn an. Dann nickte sie.
„Du wirst Papi immer ähnlicher,
Peter. Äußerlich. Und vor allem im Wesen. Wenn er etwas wollte, dann war das
bereits wie getan. Ich habe ihm blindlings vertraut. Das war immer richtig. Du
bist erst 13 vorbei. Trotzdem — dir vertraue ich ebenso. Aber, bitte, versprich
mir: Bring’ dich nicht in Gefahr!“
6. Unter vier Augen
Schräg gegenüber vom KAISERHOF
stand eine Telefonzelle.
Tarzan wartete, bis ein
kichernder Teenager der Freundin den ganzen Liebesbrief vorgelesen hatte und
endlich auf seine ungeduldigen Zeichen reagierte.
Mit einem hochmütigen: „Ph! So
eilig wird’s schon nicht sein!“ verließ das Mädchen die Zelle.
„Doch!“ sagte Tarzan. „Der
Bahnhof brennt. Riechst du’s nicht?“
Er sah im Telefonbuch nach.
Aber es gab mehrere Egges. Also rief er bei Gaby an. Frau Glockner meldete sich
und gab den Hörer weiter.
„Ja, Tarzan?“ fragte Gaby. Ihre
Stimme klang fröhlich. „Wir sitzen hier und haben tollen Spaß. Wir reden auch
dauernd von dir. Evi ist schon ganz gespannt auf dich. Kannst du herkommen?“
„Nein. Es
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