Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Paket mit dem Totenkopf

Das Paket mit dem Totenkopf

Titel: Das Paket mit dem Totenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
sagte Karl.
„Aber im Oktober letzten Jahres. Und während der Osterferien. Und außerdem noch
im vorletzten Sommer. Immer im Fernsehen. Und immer vom selben Sender.“
    Frau Carsten lachte. „Recht hast
du. Die häufigen Wiederholungen können einen wirklich verärgern.“
    „Im Internat haben wir einen“,
meinte Klößchen, „der hat jeden einigermaßen bekannten Film schon so oft
gesehen, daß er die Dialoge mitsprechen kann. Das tut er dann auch. Aber immer
etwas zu früh. Man kann aus der Haut fahren, wenn er dabei ist. Neulich haben
wir ihm mit Leukoplast den Mund zugeklebt.“
    Frau Carsten erwiderte etwas.
    Tarzan hörte es nicht. Sein
Herzschlag stockte. Denn in diesem Moment kam Boxernase herein.
    Gaby senkte den Kopf. Ihr
frisches Gesicht war ganz bleich.
    Tarzan sah in seine
Kaffeetasse, hob dann langsam den Kopf und wirkte so ruhig wie ein Denkmal, dem
weder Hagel noch Schneesturm was ausmacht. Aber das war nur äußerlich.
Innerlich saß er wie auf einem Pulverfaß, und er vermeinte das Zischen der
Flamme zu hören, mit dem sie sich an der Lunte voranfraß.
    Tarzan glättete die Tischdecke
etwas, legte den Kaffeelöffel auf der Untertasse zurecht, lächelte seine Mutter
unbefangen an, wischte dann mit einem Blick hinüber zu Boxernase.
    Der stand noch nahe der Tür und
drehte den Kopf nach rechts und nach links, als suche er jemanden.
    Sein Gesicht zeigte denselben
Ausdruck wie vorhin auf dem Bahnhof: Mürrische Leere. Nur für einen Moment war
seine Miene anders gewesen: Als er das Geld aus dem Schließfach geholt hatte
und die Treppe heraufkam. Da hatte er beinahe gelächelt.
    Jetzt glitt sein Blick über die
fünf, verriet aber kein Interesse.
    Hat der kleine Augen! dachte
Tarzan. Und ganz tief in den Höhlen. Kalt und beweglich. Wie flink er
umherguckt. Dauernd sieht man das Weiße der Augäpfel aufblitzen. Wie bei Pongo.
    Pongo war das Gorilla-Männchen
im Zoo, ein kraftstrotzender, mächtiger Menschenaffe. Dessen lebhafte Augen beobachteten
die Besucher manchmal mit dem gleichen Ausdruck. Und dabei aß er meistens eine
dicke Banane.
    Das Boxernase den nicht fand,
den er suchte, schien ihm nicht zu genügen.
    Er kam heran. Langsam näherte
er sich dem Tisch.
    Tarzan spürte, wie seine Muskeln
sich spannten. Wie eine zusammengedrückte Stahlfeder saß er auf seinem Stuhl,
bereit, in Sekundenbruchteilen hochzuschnellen.
    Ganz dicht ging Boxernase an
dem Tisch vorbei.
    Gaby war so aufgeregt, daß ihre
Unterlippe zitterte.
    Karl blickte auf und machte
große Augen.
    Warnend sah Tarzan ihn an.
    Klößchen hatte sich zu Frau
Carsten geneigt und erklärte ihr eifrig das Herstellungsverfahren der bekannten
Sauerlich-Schokolade. Auf den Markt kam sie zwar unter anderem Namen, aber Herr
Sauerlich, Klößchens Vater, war der Fabrikant.
    Zwei Schritte hinter Tarzan
blieb Boxernase stehen.
    Willi hatte ihn auch jetzt noch
nicht bemerkt.
    „Tschuldigung!“ röhrte eine
Stimme, die so dumpf und heiser klang, als hätte der Mann Schmirgelpapier
anstelle von Stimmbändern im Hals. „Ich bin hier mit einem Herrn Lamprecht
verabredet. War .der schon da?“ Er fragte die Serviererin.
    „Bei mir hat sich niemand
gemeldet“, sagte das Mädchen. „Aber ich werde sagen, daß Sie gefragt haben —
falls der Herr noch kommt. Wie ist Ihr werter Name?“
    „Zaulich“, antwortete
Boxernase. „Ich wohne hier. Bitte, geben sie dem Portier Bescheid.“
    „Gern.“
    Damit war Boxernase zufrieden.
Wieder kam er am Tisch vorbei.
    Tarzan spürte seinen Geruch:
Eine Mischung aus Zigarrenqualm und schneefeuchter Kleidung.
    Zaulich hieß der also. Würde er
seinen Namen nennen, wenn er eine Gemeinheit vorhätte? Bestimmt nicht.
Andererseits — wer garantierte, daß es kein falscher Name war?
    Tarzan sah ihm nach. Auf Gabys
nächsten Stubser gegen das Schienbein reagierte er nicht. Karl drehte sich halb
um, damit er Zaulichs Abgang mit den Augen verfolgen konnte. Klößchen strahlte
Tarzans Mutter an und hatte noch immer nichts mitgekriegt.
    Draußen in der Empfangshalle
wandte Zaulich sich nach rechts. Dort war die Treppe, die zu den Zimmern
hinaufführte.
    Eigentlich könnte ich beruhigt
sein, dachte Tarzan. Verabredet ist er. Seinen Namen hat er genannt. Er wohnt
hier. Und für uns scheint er sich nicht zu interessieren.
    Trotzdem — das Unbehagen blieb.
    Tarzan wandte sich wieder
seiner Mutter zu. Eine Gelegenheit, mit den Freunden über Boxernase zu reden,
bot sich nicht.
    Als er das nächste Mal auf die
Uhr sah,

Weitere Kostenlose Bücher