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Das Paket mit dem Totenkopf

Das Paket mit dem Totenkopf

Titel: Das Paket mit dem Totenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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zehn
Uhr ausgegeben wird. Freilich, bei weitem nicht alle Schüler machten davon
Gebrauch.
    Tarzan holte sich eine
Honigsemmel und Tee. Aus seiner Klasse waren nur zwei Jungs da. Zu denen setzte
er sich. Während sie frühstückten, redeten sie über das Eishockey-Spiel, das an
diesem Abend im städtischen Eisstadion stattfinden sollte. Die beiden wollten
unbedingt hin. Karten hatten sie schon. Stehplätze.
    „Kommst du mit?“ fragte Jürgen.
    Tarzan schüttelte den Kopf.
„Meine Mutter ist da. Ich...“
    Weiter kam er nicht, weil über
die Lautsprecheranlage in diesem Moment eine Durchsage kam. Es war die Stimme
des Direktors, und sie klang unheilvoll.
    „Alle Schüler des Haupthauses,
die sich nicht auf ihren Zimmern befinden, begeben sich sofort dorthin und warten
die Weisungen ihrer Erzieher ab.“
    Dann knackte es in der Anlage.
Sie wurde ausgeschaltet.
    „Was ist denn in den Direx
gefahren?“ meinte Jürgen. „Wenigstens am Wochenende, zum Henker, möchte ich
meine Ruhe haben. Wenn dem jetzt ein Feueralarm einfällt, kann er mich mal.“
    Aber dann stand er doch auf —
wie alle anderen — und trollte sich auf seine Bude. Denn wenn der Direktor sofort sagte, meinte er auch sofort.
    Tarzan hatte noch rasch seinen
Tee getrunken. Die Semmel aß er, während er zum ADLERNEST hinaufging. Natürlich
tropfte etwas Honig auf die Stufen, aber das fiel nicht auf. Und kleben bleiben
würde niemand.
    Klößchen schlief noch. Tarzan
rüttelte ihn wach.
    „Komm’ endlich zu dir.
Irgendwas ist los.“
    Klößchen rieb sich die Augen,
blinzelte und gähnte. „Bin ich noch müde! Waren wir letzte Nacht auf dem
Westfriedhof? Oder habe ich das geträumt?“
    Bevor Tarzan antworten konnte,
ertönte auf dem Flur ein langer Pfiff. Dr. Weniger, ein ziemlich unbeliebter
Studien-Assessor, hatte die Angewohnheit, gewisse Appelle mit einer
Schiedsrichterpfeife anzukünden. Vielleicht hatte er das bei der Bundeswehr
erlebt. Jedenfalls mußten alle Schüler auf Pfiff vor die Tür treten und dort in
sportlich straffer Haltung verharren.
    „Blöder Mist!“ schimpfte
Klößchen. Er schlüpfte in die Latschen, kratzte sich am Kopf und zog den
gestreiften Pyjama glatt. Er schlurfte zum Flur und stellte sich neben der Tür
auf.
    Tarzan ließ sich einen
Augenblick länger Zeit. Innerlich widerstand es ihm, sich so herumkommandieren
zu lassen. Aber es war nun mal üblich.
    Als er auf den Flur trat, waren
alle Schüler, die im zweiten Stock wohnten, vor ihren Buden versammelt: 12- bis
14jährige Jungs, größtenteils noch im Schlafanzug, ungewaschen, ungekämmt und
mißmutig.
    Verblüfft stellte Tarzan fest,
daß sechs Lehrer im Flur standen. Also fehlte keiner. Außerdem war der Direktor
da. Dr. Freund war ein hochgewachsener, etwa 60jähriger Mann mit eisengrauem
Haar und einem Kopf wie ein römischer Senator: Ausgeprägte Züge und kräftige
Hakennase. Er war Altphilologe, unterrichtete also Latein und Griechisch, galt
als streng, war aber beliebt, weil er jeden gerecht behandelte. Sogar seinen
eigenen Sohn. Den hatte er nämlich mit einer Sechs durchrasseln lassen, obwohl
— mit viel Nachsicht — eine Fünf möglich gewesen wäre.
    Streng blickte er jetzt an den
Reihen der Schüler entlang.
    Als er die Hand hob, wurde es
mucksmäuschenstill.
    „Ihr alle wißt“, begann er,
„was ein Kameradendiebstahl ist. In einer Gemeinschaft wie hier einen Kameraden
zu bestehlen, ist gemein, abgefeimt und kriminell. Ich kann nicht glauben, daß
jemand von euch dazu fähig ist. Aber leider sprechen die Anzeichen dagegen.
Euer Mitschüler Dieter Heidergott aus der 8 a hat gestern nachmittag mit Erlaubnis
seines Erziehers eine bedeutende Summe von seinem privaten Konto abgehoben, um
ein wertvolles Geschenk zum Firmenjubiläum seines Vaters zu kaufen, fünf
Goldmünzen nämlich. Sie befanden sich in einem blauen Lederetui, das Dieter
Heidergott in seinem Nachttisch hatte. Es ist verschwunden. Die Suche in der
GROTTE (so hieß die Bude), brachte keinerlei Erfolg. Damit drängt sich der
Schluß auf, daß die Münzen gestohlen wurden. Wie ich sehe, sind alle Schüler
versammelt. Niemand hatte bis jetzt das Haus verlassen. Um allen ehrlichen
Jungen die Peinlichkeit einer Durchsuchung zu ersparen, fordere ich jetzt den
Dieb auf, sich zu melden. Falls er das nicht tut, werden alle Zimmer von meinen
Kollegen sorgfältig durchsucht.“

    Nein, dachte Tarzan. Das gibt’s
nicht. Heute ist weder Freitag noch der 13. Kann denn einer soviel Pech

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