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Das Paradies am Fluss

Das Paradies am Fluss

Titel: Das Paradies am Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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Zuversicht ist zurückgekehrt. »Soll ich Kaffee kochen? Jess hat eine SMS aus Exeter geschickt, und ich würde sagen, wir haben noch eine halbe Stunde Zeit.«
    »Soll ich die Haustür öffnen?«, fragt er. »Das wirkt doch viel einladender. So muss Jess nicht klopfen und dann warten, oder? Die Sonne knallt nur so herunter, und Flossie kann draußen sitzen und Ausschau nach ihr halten.«
    So kommt es, dass Jess, die langsam die Straße entlangfährt und die Hausnummern im Auge behält, zuerst einen Retriever sieht, der erwartungsvoll am Tor steht, und dann die Haustür, die weit und einladend geöffnet ist. Als sie den Wagen anhält und sich aus dem offenen Fenster lehnt, beginnt der Hund mit dem fedrigen Schwanz zu wedeln, und ein hochgewachsener blonder Mann schlendert lässig in den kleinen, gepflasterten Vorgarten hinaus.
    Sie mustert ihn neugierig. Ob das einer von Kates Söhnen ist? Er sieht sehr gut aus. Sehr cool. Mitte dreißig, vielleicht ein wenig älter? Die beiden sehen einander an, und sie spürt den seltsamen Impuls, zu lachen und aus dem Auto zu springen, als kehrte sie zu Menschen heim, die sie kennt und liebt.
    »Jess«, sagt er. Es ist keine Frage, sondern einfach eine Feststellung. Und er öffnet das Tor.
    Der Hund steht wild wedelnd an der Autotür, und Jess steigt aus. Jetzt sprudelt das Lachen richtig aus ihr heraus, und da kommt Kate aus dem Cottage gestürzt, um sie willkommen zu heißen.
    »Das ist Oliver. Er ist der Sohn von Freunden, die Juliet und Mike kannten«, erklärt sie. »Und das ist Flossie. Willst du nicht Pfötchen geben, Flossie? Meine Güte! Schön, Sie wiederzusehen, Jess!«
    Und Jess schüttelt Oliver die Hand, umarmt Kate und streichelt Flossies glänzendes, flauschiges Fell. Dann gehen sie alle zusammen ins Haus.
    Sofort ist ihr klar, dass es ihr hier gefallen wird. Sie weiß immer gleich, ob Menschen oder Orte das Richtige für sie sind. Sogar als Kind hat sie diese seltsame Gabe schon besessen, eine Art zweites Gesicht, dass sie warnt oder ermuntert und dem sie zu trauen gelernt hat.
    Dieses Cottage zum Beispiel strahlt eine positive Stimmung aus; es ist ein Zuhause und ein Ort, an dem man entspannen kann. Die Hündin ist wieder in ihren Korb geklettert. Kate gießt Kaffee ein, und Oliver lehnt sich ans Kopfende des Tisches und fragt, wie ihre Fahrt war.
    Sie mag ihn; es gefällt ihr, wie er sie ansieht, als wäre sie zuallererst und vor allem Jess und erst dann eine Frau. Es ist, als sähe er das an ihr, was wichtig ist, und sie hat das Gefühl, ihm trauen zu können. Diese seltsame Gabe ist für sie immer ausschlaggebender geworden, seit ihr Leben in Stücke gefallen ist, zuerst durch den Tod ihres Vaters und dann durch die neue Beziehung ihrer Mutter und ihren Umzug nach Brüssel.
    Kate reicht ihr einen Becher Kaffee, und Jess schaut sich um. In der Schule und an der Uni war sie ganz zufrieden, aber sie ist härter geworden und hat gelernt, für ihre Sache zu kämpfen. Drei Jahre lang war das kleine Haus in Bristol, das sie mit ihren Freunden, ebenfalls Studenten, teilte, ihr Zuhause – nicht die schicke Wohnung in Brüssel. Doch seit das alles vorüber ist, fühlt sie sich ziemlich entwurzelt und ein wenig verängstigt. Aber jetzt ist sie hier und sitzt mit zwei neuen Freunden und dem Hund in diesem von Sonnenschein erfüllten, behaglichen Raum. Alle sind sehr entspannt; hier geht es nicht förmlich zu, und niemand nimmt sie ins Kreuzverhör darüber, wie ihre Zukunftspläne aussehen. Diese beiden haben sie einfach in ihrem Leben akzeptiert und lassen ihr den Freiraum, sich zu entspannen.
    Kate packt ein kleines Päckchen aus und zeigt Oliver den Inhalt. Jess sieht, dass es ein Gemälde ist.
    »Ich habe es mitgebracht. Ich dachte, Sie würden es vielleicht gern sehen«, erklärt Kate und gibt es an sie weiter. »David hat es vor fast zwanzig Jahren gemalt. Er hat damals bei einer Freundin von mir in Dartmoor gewohnt, und als sie gestorben ist, hat sie es mir vermacht. Damals kannte ich ihn noch nicht, aber er hat mir erzählt, er habe sich dabei zum ersten Mal wirklich für den botanischen Aspekt der Malerei interessiert und dann angefangen, sich richtig darin einzuarbeiten.«
    Jess nimmt das Bild. Es ist eine Skizze, die eine alte Steinbrücke über einen Fluss und einen Teil des Ufers darunter darstellt, wo vor dem von der Sonne erwärmten Stein Fingerhut wächst. Das Bild ist leicht koloriert, und die Sonne glitzert auf dem Wasser, das beim Hinsehen zu fließen

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