Das Paradies am Fluss
Weitschweifige Anekdoten oder Erklärungen, jemandem bei einer Tätigkeit zusehen, die sie in der Hälfte der Zeit erledigen kann – all das erzeugt in ihrem Inneren eine solche Spannung, dass sie das Gefühl hat, jeden Moment zu explodieren. Daher eilt sie hinaus zum Auto, führt Jess in den sonnigen Morgensalon und ignoriert die Küche, wo Sophie bestimmt die Utensilien zum Kaffeetrinken bereitgestellt hat. Rowena begreift die moderne Angewohnheit nicht, Gäste in der ziemlich dunklen, nach Norden gehenden Küche zu empfangen. Da ist es doch in diesem hübschen, kleinen, holzgetäfelten Raum, in dem sie ihre Briefe schreibt und liest, viel schöner.
Popps kommt aufgeregt kläffend hinter ihnen hereingerannt. »Still, Popps! Du kennst Jess doch«, sagt Rowena. Jess bückt sich, um den kleinen Hund zu streichen, und reibt die samtigen Ohren sanft mit den Fingern.
»Ein witziger Name«, sagt sie, plötzlich schüchtern. »Ist das eine Abkürzung von Poppy?«
»Daran ist Johnnie schuld«, erklärt Rowena. »Als Welpe hat sie geheult, wenn man sie allein ließ, und Johnnie meinte, sie klänge wie Lucia Popp, die sich für ein Konzert einsingt. ›Popp legt schon wieder los‹, pflegte er zu sagen, und dann ist der Name einfach hängen geblieben.«
Froh über die Ablenkung durch den kleinen Terrier, lacht Jess und fühlt sich schon weniger nervös. »Zu Hause hatten wir immer schwarze Labradore«, erklärt sie. »Mum war nicht wirklich eine Hundefreundin, aber Daddy konnte nicht gut ohne Hund sein.«
»Tatsächlich?« Rowena setzt sich an den großen, runden Palisandertisch, auf dem Zeitungen und Zeitschriften verstreut sind. Auch Briefe liegen da, halb aus ihren Umschlägen gezogen, neben einem gelben, bemalten Porzellantopf, in dem Bleistifte und Kugelschreiber stehen. Ihre Hände huschen zwischen den Briefen umher und ordnen sie. »Wie war Ihr Vater denn so?«
Bevor Jess antworten kann, lässt Johnnie sich hinter ihr hören.
»Guten Morgen, Jess. Sie haben also den Weg zu uns gefunden. Gut gemacht!«
Beinahe erleichtert dreht sie sich zu ihm um. Die alte Dame strahlt eine starke Anspannung aus, die sie leicht beunruhigt. »Kate hat mir eine sehr gute Wegbeschreibung gegeben«, antwortete sie, »aber konzentrieren musste ich mich schon. Als Beifahrerin achte ich nämlich nie auf den Weg.«
»Dann haben Sie Kaffee verdient«, sagt er. »Sophie hatte gehofft, vor Ihrem Eintreffen zurück zu sein, doch ich bin mir sicher, sie hat etwas vorbereitet.«
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragt sie, lächelt Rowena zu und folgt ihm hinaus. Popps ist ihnen dicht auf den Fersen.
Rowena lauscht ihren Stimmen und Popps’ Tappen und dem Klicken ihrer Krallen, als sie durch die Eingangshalle gehen. Sie sitzt still da, streicht die Seiten des Briefes einer alten Freundin glatt, legt sie zusammen und steckt sie wieder in den Umschlag, obwohl sie sich kaum bewusst ist, was sie tut.
In der Küche hilft Jess Johnnie, die Kaffeeutensilien auf das Tablett zu stellen. Bei ihm fühlt sie sich vollkommen unbefangen, denn er ist so freundlich, amüsant und entspannt, und es gefällt ihr hier in der warmen, unordentlichen Küche, wo die Kaffeemaschine blubbert.
»Ohne Sophes kämen wir einfach nicht klar«, erklärt er gerade. »Gott sei Dank hat sie nie den Wunsch verspürt, uns zu verlassen! Wenn die Mädchen und alle Kinder in den Ferien kommen, wäre ich ohne Sophie vollkommen überfordert. Und sie geht wunderbar mit Will um.«
»Ich freue mich schon darauf, den Jungen kennenzulernen«, sagt Jess und legt Kekse auf einen handbemalten gelb-blauen Teller.
»Will ist neun, aber er benimmt sich, als wäre er vierzig.« Johnnie stellt die Kaffeekanne auf das Tablett. »Der arme Kerl hat drei kleine Schwestern, die ihn wahnsinnig machen, und das hat ihn vor der Zeit altern lassen.«
Jess lacht. Mit einem Mal ist sie wieder froh; dieser reizende Mann hat all ihre Nervosität und Ängste beruhigt. Auf merkwürdige Weise erinnert er sie an ihren Vater; vielleicht liegt es am Einfluss des Militärs.
»Er hat Glück, Sie hier in der Nähe zu haben«, meint sie. »Nach Daddys Tod bin ich sonntags oder wenn wir frei hatten, zu Freunden gefahren. Brüssel war einfach zu weit entfernt. Will hat großes Glück, nach Hause zu können.«
»Das gilt genauso für uns. Wir haben ihn gern hier und bringen ihm das Segeln bei. Können Sie den Teller nehmen, wenn ich das Tablett trage? Mutter trinkt lieber im Morgensalon Kaffee.«
Jess zögert. »Das
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