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Das Paradies am Fluss

Das Paradies am Fluss

Titel: Das Paradies am Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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Newlyn-School-Richtung, und auch ein paar Werke von Paddy Langworthy sind darunter. Auf den Bücherregalen macht sich eine Mischung aus Taschenbuch-Romanen, Autobiografien und Kinderbüchern den Platz mit einem Haufen CDs streitig.
    Am Tischende, das an der Wand steht, liegen zwei oder drei Stapel ungerahmter Fotos. Neugierig nimmt er eines zur Hand. Internat Mount House 1976 .
    Vor meiner Zeit, denkt Oliver – aber die Szene ist ihm vertraut. In der Mitte der vordersten Reihe aus kleinen Jungen sitzt Mr. Wortham und neben ihm sein Golden Retriever Winston. Oliver erkennt die Hausmutter, und hier sind die Zwillinge, Guy und Giles, nebeneinander. Es ist fast unmöglich, sie auseinanderzuhalten. Dunkelhaarig und ernst stehen sie in ihren marineblauen hochgeschlossenen Pullovern und grauen Cordshorts da und sehen ziemlich unsicher in die Kamera.
    Oliver legt das Foto weg, nimmt ein anderes und legt es vor sich auf den Tisch. Blundell’s School 1981 . Die Aufnahme zeigt die Schüler des Petergate House. Hier in der vordersten Reihe sitzt Mr. Denner und hinter ihm glücklich strahlend er, Oliver.
    Er beugt sich darüber und betrachtet diesen viel jüngeren Oliver in seiner neuen Tweedjacke und den langen grauen Flanellhosen. Wie erwachsen er sich damals gefühlt hat! Giles und Guy stehen an den Enden der mittleren Reihe, und jetzt erkennt er auch die Unterschiede zwischen ihnen: Giles lächelt und beugt sich ungezwungen und entspannt zu dem Jungen neben sich hinüber, als lachten sie über denselben Scherz. Guy steht ein wenig abseits und starrt den Fotografen unverwandt und abschätzend an.
    Oliver erinnert sich an Mr. Denner, der »Gut! Gut! Gut!« in einem Atemzug zu sagen pflegte. Hinter seinem Rücken äfften sie ihn nach, aber stets in gutmütigem Spott, denn Mr. Denner war sehr beliebt. Und dann, ganz plötzlich, steigt eine andere Erinnerung in ihm auf, eine schmerzhafte, die sich mit dem Geruch von alten Büchern und Leder mischt. Er sitzt mit den Zwillingen in ihrer Studierstube, und seine Mutter erklärt ihm, dass Charlotte von ihrem Pony abgeworfen wurde und gestorben ist, weil sie ihren Helm nicht getragen hat. Sie umarmt ihn fest und sagt, es sei das Beste, wenn er nicht zur Beerdigung komme. Es sei besser für ihn, wenn er im Internat bleibe, und dass die Zwillinge für ihn da sein werden, wenn er sie braucht.
    Jetzt sieht Oliver auf diese jungen, noch unfertigen Gesichter hinunter und erinnert sich an den Schock, den Unglauben und daran, dass nachher Giles ihn in die Arme genommen hat, als er endlich weinen konnte.
    In diesem Moment ertönt die Türklingel. Oliver legt das Bild zu den anderen, nimmt sich einen Moment Zeit, um sich zu fassen, und geht dann in die Diele und öffnet die Tür. Auf der Türschwelle steht Guy Webster und trägt dieselbe entschlossene Miene wie auf dem Foto.
    Ungläubig starren sie einander an.
    »Was zum Teufel machst du denn hier?«, fragen sie dann beide wie aus einem Munde.
    Guy tritt hinter Oliver in die Diele und schließt die Haustür hinter sich. Er lässt seinen Koffer neben Olivers Reisetasche fallen und sieht sich um.
    »Wo ist meine Mutter?«, verlangt er zu wissen.
    Statt einer Antwort öffnet Oliver eine Tür und lässt Guy höflich den Vortritt. Kurz zögert Guy. Sein Zorn, der immer knapp unter der Oberfläche schwelt, wächst. Oliver verhält sich, als wäre er hier der Hausherr; er hat die Situation in die Hand genommen. An ihm vorbei tritt Guy ins Wohnzimmer. Er hat Oliver noch nie leiden können. Cass’ und Toms Sohn ist zwar mehrere Jahre jünger als er, aber er besitzt ein angeborenes Selbstvertrauen, eine Fähigkeit, zur rechten Zeit am rechten Ort und immer bei den richtigen Leuten zu sein: bergeweise gute Noten, Jahrgangsbester in Cambridge. Später hat Unk ihn zum Geschäftspartner gemacht und ihm seine äußerst lukrative Firma hinterlassen. Und jetzt hat er die Stirn gehabt, die Schulgebühren für seine, Guys, Kinder zu bezahlen. Mit kaum verhohlener Abneigung sieht er den Schwager an und überlegt, was die Reisetasche in der Diele zu bedeuten hat.
    »Ist meine Mutter hier?«, fragt er noch einmal.
    »Nein.« Oliver vollführt eine Handbewegung, die vielleicht Mitgefühl ausdrücken, vielleicht aber auch eine Entschuldigung sein soll. »Sie ist ein paar Tage nach St. Meriadoc gefahren. Wusste jemand davon, dass du nach Hause kommst?«
    »Nein«, antwortet Guy knapp. Forschend sieht er sich in dem Raum um, lässt ihn auf sich wirken und macht sich

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