Das Paradies am Fluss
Atmosphäre schuf. Guys Miene war ruhig, doch Gemma sah ihm an, dass er sich immer noch jeden Moment in seine gewohnte Distanziertheit zurückziehen konnte. Später würden sie bestimmt miteinander schlafen, aber sie wollte nicht, dass dieses wichtige Thema mit Emotionen und körperlicher Leidenschaft durcheinandergeriet. Sie hätte das zu ihrem Vorteil einsetzen können, doch das wäre nicht fair gewesen.
»Hierherzukommen war eine gute Idee von dir«, sagte sie und goss Kaffee nach. »Kannst du dich uns im Pfarrhaus vorstellen, wo Ma herumläuft und versucht, taktvoll zu sein, und Pa uns wütend anstarrt?«
»Nein.« Ein seltenes Lächeln erhellte sein Gesicht. »Deshalb bin ich ja in die Chapel Street gegangen.«
»Du musst schrecklich wütend auf mich gewesen sein«, warf sie wie nebenbei ein, »wenn du mir dein Kommen nicht angekündigt hast.«
Er sah sie durchdringend an, als wöge er ihre Worte ab. »Das war ich auch«, erklärte er schließlich. »Einfach mit den Jungs ins Blaue zu verschwinden und zu verkünden, dass du nicht wiederkommst!«
»Ich gehe auch nicht zurück, Guy«, sagte sie leise. »Das war mein Ernst. Aber ich hatte dir doch schon ein paar Warnschüsse vor den Bug gegeben. So schockiert kannst du nicht gewesen sein.«
Er trank von seinem Kaffee. »Ich hatte das Gefühl, die Kontrolle verloren zu haben«, erwiderte er aufrichtig. »Ich glaube, eigentlich hat das mich wütend gemacht. Dass du einfach so gegangen bist und ich nichts dagegen unternehmen konnte.«
Sie beugte sich zu ihm hinüber. »Am Ende hatte ich keine andere Möglichkeit, dich zu zwingen, mir zuzuhören. Ich habe es nicht mehr ausgehalten. Du warst immer so still und besorgt, den Jungs gegenüber kurz angebunden und hast ständig mit deinem Vater gestritten. Ich habe mich restlos und vollkommen allein gefühlt.«
Sie bemerkte, wie er das Kinn reckte und die Lider über seine grauen Augen sanken, und wusste, dass sein Zorn dicht unter der Oberfläche brodelte. Trotzdem wartete sie darauf, dass Guy zu sprechen begann. Sie hatte nicht vor, beschwichtigende Worte zu finden, damit er das Gesicht wahren konnte, und sie würde ihm auch nicht eilig beipflichten, sie sei selbst an allem schuld.
»Was schlägst du vor?«, wollte er schließlich wissen. Mit seinen langen, gebräunten Fingern drehte er immer wieder die Kaffeetasse auf der Untertasse, sah darauf hinunter und weigerte sich, Gemma anzuschauen.
»Warum bist du hergekommen?«, fragte sie zurück.
»Oh, um mich ordentlich aufzuregen«, sagte er. Seine Augen zogen sich zusammen, als lachte er über sich selbst. »Um dir den Kopf zu waschen und darauf zu bestehen, dass du zurückkommst.«
»Was hat deine Meinung geändert?«
Jetzt schaute er sie an. »Wie kommst du darauf?«
Sie zuckte mit den Schultern und hielt seinem Blick stand. »Aber es stimmt doch, oder?«
Er sah mit aufgerissenen Augen an ihr vorbei, als betrachtete er eine Vision, und sie hielt den Atem an. »Ich hatte vergessen«, erklärte er endlich, »wie schön es hier im West Country ist. Und wie sehr ich mich mit dieser Gegend verbunden fühle. Oh, Kanada ist auch schön, auf eine andere Art, doch das hier ist … meine Heimat. Mir war gar nicht klar, wie sehr ich sie vermisst habe.« Plötzlich verlegen geworden, schüttelte er den Kopf. »Das klingt verrückt.«
»Ja? Nicht für mich«, sagte sie. »Deswegen bin ich zurückgekommen. Ich gehöre hierher, und ich wünsche mir das auch für Ben und Jules. Vielleicht wäre es anders gekommen, wenn wir dort drüben wunderbar glücklich gewesen wären, doch das waren wir nicht. Und das gilt nicht nur für mich, Guy, sondern auch für dich. Du bist nicht glücklich. Ich liebe dich und möchte mit dir zusammen sein, aber nicht so. Ach, das ist nicht fair dir gegenüber, das ist mir klar, und ich weiß, dass es meine Schuld ist, dass wir überhaupt nach Kanada gegangen sind. Glaubst du, ich kann das je vergessen? Deswegen wollte ich es ja versuchen, um alles wiedergutzumachen. Und du wolltest auch übersiedeln, nicht wahr? Du hattest dir das schon eine Weile überlegt, daher war es damals eine naheliegende Lösung. Wir haben es beide versucht, aber es hat nicht geklappt.«
»Und was jetzt? Was ist mit meinem Vater?«
Sie seufzte. »Wenn ich wirklich glauben würde, dass Mark sich etwas aus uns macht, wäre das etwas anderes. Doch das tut er nicht. Er kann mich nicht leiden – das hat er deutlich zum Ausdruck gebracht –, und er interessiert sich nicht
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