Das Paradies am Fluss
Natürlich hat Kate Bruno …
»Wie geht’s eigentlich Bruno?«, erkundigt sie sich. »Hattet ihr ein schönes Wochenende?«
»Ihm geht’s prima«, antwortet Kate. »Er hat gerade mit den Recherchen für ein neues Buch angefangen.«
Sie fragt sich, durch welche Assoziation Cass wohl auf Bruno gekommen ist, doch wenigstens hat sie das Thema »Guy und Gemma« umschifft. Ihr Herz macht einen kleinen Freudensprung, als sie an das denkt, was Guy ihr vor weniger als einer Stunde in diesem Raum erzählt hat.
»Ich war nicht bei Cass und Tom«, hat Guy ihr erklärt. »Wahrscheinlich würde das mehr schaden als nützen. Aber ich überlege, wieder nach England zu kommen, Mum. Ich weiß jetzt, dass ich das will, doch es ist nicht ganz so einfach.«
Sie war so froh, dass sie kein Wort herausbrachte, sondern einfach nickte. Am liebsten hätte sie ihn mit allen möglichen Plänen und Möglichkeiten überschüttet, um ihn dabei zu unterstützen, aber sie war so klug, ihr Schweigen zu wahren. Ein bei ihm seltenes Lächeln und eine Umarmung, eigentlich nicht viel mehr als ein Schulterklopfen, waren ihr Lohn. An Guy war nun wirklich nichts, das darauf schließen ließ, dass er in Kontakt zu seiner weichen, weiblichen Seite stand, und kurz bedauerte sie Gemma.
Cass beobachtet sie. »Es tut mir leid, Kate«, erklärt sie aufrichtig zerknirscht. »Es war vollkommen egoistisch von mir, so bald nach Guys Aufbruch hier zu erscheinen. Ich hatte nur nicht die geringste Ahnung, was los war, und fühlte mich plötzlich ganz verzweifelt. Aber das war nicht richtig von mir. Du hast Guy so lange nicht gesehen, und dann hattest du ihn – wie lange? – eine Stunde für dich.«
Kate entspannt sich. Wie üblich gelingt es Cass, sie zu besänftigen. »Ist schon gut. Immerhin hat Gemma uns diese Zeit gelassen. Das war sehr rücksichtsvoll von ihr. Ich wünschte, er hätte uns vorher gesagt, dass er nach Hause kommt. Ist doch verrückt, die lange Reise zu unternehmen, ohne jemandem ein Wort zu verraten. Oliver hat die Situation gerettet.«
»Ja.« Cass lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück. »Ich wünschte nur, Tom und er würden nicht so oft aneinandergeraten. Nie hätte ich gedacht, dass Tom im Alter so mürrisch werden würde. Meistens ist es lustig, aber in letzter Zeit wird es sehr anstrengend. Ich weiß, dass er im Moment oft an Charlotte denkt, und dann fühle ich mich so schuldig und unglücklich.«
»Warum ausgerechnet jetzt Charlotte?«
»Ach«, meint Cass schulterzuckend, »du weißt ja, wie Tom ist. Charlotte war immer sein Lieblingskind. Sie war ihm so ähnlich und ihm gegenüber immer so sanft und zugänglich. Als sie älter wurde, begann sie, unabhängiger zu werden, und sie hatte das Bedürfnis, sich gegen mich aufzulehnen. Ich glaube, das kann bei Müttern und Töchtern passieren, doch sie war immer auf Toms Seite. Nun ja, ich habe mir nichts daraus gemacht und fand das sogar ganz herzig. Die Sache ist nur die, dass das Durcheinander, das Gemma angerichtet hat, ihn an diese schlimme Zeit erinnert und ihn das schlechte Gewissen und den Kummer erneut erleben lässt. Die Erinnerung ist nie tief unter der Oberfläche, man lernt nur, damit zu leben. Aber nun hat Gemmas Problem all die alten Wunden wieder aufgerissen, und sie sind frisch und schmerzhaft. Du erinnerst dich, dass nicht nur ich eine Affäre hatte, sondern er auch. Doch das hätte Charlotte nie geglaubt. Wir waren beide schuld, aber Tom will sich seinen Teil an der Verantwortung nicht wirklich eingestehen, und da fällt es ihm leichter, seine Gefühle in Form von schlechter Laune an Gemma und mir auszulassen.«
»Ich hatte ja keine Ahnung, dass es so schlimm ist«, sagt Kate nach kurzem Schweigen. »Ich habe die Verbindung zu Charlotte nicht gesehen.«
»Wie solltest du auch? Wir haben ja kaum noch geredet, weil es so schrecklich war, dass diese Sache zwischen uns stand, oder? Als Gemmas Mutter möchte ich Guy die Schuld geben. Als Guys Mutter möchtest du Gemma verantwortlich machen. Doch tief im Herzen wissen wir beide, dass es nicht so einfach ist. Dadurch wird es so schwierig, überhaupt zu reden, weil es immer wieder darauf hinausläuft, oder? Und mit Tom kann ich nicht sprechen, weil er wütend auf Gemma ist. Es ist, als ginge man auf rohen Eiern. Sogar Oliver weicht mir aus, weil Gemma ihn ins Vertrauen gezogen hat. Natürlich möchte ich sie und die Jungs lieber hier haben statt so weit weg, aber mir wäre es aufrichtig lieber, wenn Guy bei ihnen wäre, Kate.
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