Das Paradies am Fluss
Ich weiß, dass er und ich uns nicht gerade gut verstehen, doch ich bin auch überzeugt davon, dass Gemma ihn liebt, und die Jungs lieben ihn ebenfalls.«
Kate nickt. »Ich weiß. Natürlich weiß ich das. Sieh mal, es kommt doch darauf an, dass weder Gemma noch Guy eine Scheidung wollen. Das ist auf jeden Fall ein guter Anfang. Und schließlich sind Gemma und die Jungs für immer zurückgekehrt, nicht wahr? Also kannst du jetzt gar nicht mehr verlieren.«
»Doch«, gibt Cass betrübt zurück. »Denn wenn Guy nicht wiederkommt, wird es zwischen uns beiden nie wieder so wie früher sein. Und ich weiß, dass Gemma und die Zwillinge auch nicht glücklich sein werden.«
»Scheidungen zerstören Beziehungen und wirken sich auf so viele Menschen aus«, sagt Kate. »Jetzt begreife ich das. Eine Scheidung ist wie ein Krieg. Niemand gewinnt wirklich, also muss man einen guten Grund haben, sich darauf einzulassen.«
»Und was können wir tun?«, fragt Cass. »Die beiden lieben sich immer noch. Also gibt es in diesem Fall keinen guten Grund.«
Kate zögert. Sie will Guys Vertrauen nicht missbrauchen. Gemma muss diejenige sein, die Cass von ihren gemeinsamen Hoffnungen und Plänen erzählt. »Wir müssen einfach abwarten«, erklärt sie.
Cass sieht sie an und erinnert sich an das, was Oliver gesagt hat: »Ich glaube, es wird klappen, vorausgesetzt, niemand mischt sich ein.« Sie nimmt sich zusammen.
»Okay«, antwortet sie fröhlich. »Wie wäre es mit einem Drink?«
»Es ist gerade erst drei«, protestiert Kate.
»Und? Gibt es eine Regel, die besagt, dass wir um diese Uhrzeit noch nichts trinken dürfen?«
»Und du willst noch mit dem Auto nach Hause fahren.«
»Du hast schon immer diese furchtbar langweiligen Anfälle von Rechtschaffenheit gehabt«, meint Cass seufzend. »Dann eben Tee. Und bei der Gelegenheit kannst du mir alles über Bruno erzählen.«
Kaum hat sie Cass nachgewinkt, als Oliver herangefahren kommt und den Wagen parkt.
»Hast du nicht das Gefühl, du könntest hier gleich ein Asyl einrichten?«, fragt er. »Zuerst Jess, dann Guy, danach Ma – ganz zu schweigen von mir.«
»Sag mir nicht, dass du hier herumgelungert und darauf gewartet hast, dass sie geht.«
»Nicht ganz, aber es kommt der Sache schon nahe. Im Moment gerate ich andauernd mit Pa aneinander, daher musst du Mitleid mit mir haben. Nein, jetzt im Ernst: Ich habe eine schlechte Nachricht. Lady T. ist tot.«
»Tot?«
Er nickt und sieht zu, wie sie mechanisch das Teegeschirr zusammenräumt, als stünde sie unter Schock.
»Aber Gemma hat mir doch erzählt, ihr Zustand habe sich stark verschlechtert, und deswegen habe Johnnie sie gebeten, Will zusammen mit den Zwillingen zur Schule zurückzufahren.«
»Gemma wusste es ja nicht besser. Jedenfalls war es ein weiterer Herzanfall. Lady T. ist tot, und es ist möglich, dass Jess Zuflucht vor den Beerdigungsvorbereitungen suchen wird.«
Kate setzt sich an den Tisch. »Merkwürdig, aber ich bin ziemlich traurig. Lady T. hat mich nie besonders gut leiden können, und ich hatte schreckliche Angst vor ihr, doch es ist einfach …«
»Sag jetzt nicht ›das Ende einer Ära‹«, erwidert er, »oder ich wünsche mir noch, ich wäre gleich zum Pfarrhaus gefahren. Mir war sofort klar, dass Pa sich darüber gar nicht würde beruhigen können. All die Erinnerungen, die Anekdoten und die lieben alten Marinekameraden.«
Kate kann nicht anders, sie lacht. »Du bist vollkommen herzlos.«
»Nein, bin ich nicht«, widerspricht er. »Aber ich kannte Lady T. kaum. Soweit ich weiß, bin ich ihr vor ein paar Tagen zum ersten Mal begegnet.«
Neugierig sieht sie ihn an. »Vor ein paar Tagen?«
Argwöhnisch erwidert er ihren Blick. »Hmmm. Da hat sie im Bett gelegen. Guy, Jess und Johnnie waren segeln gegangen, und Sophie hat mich mit nach oben genommen, um Hallo zu sagen.«
»Wirklich?« Immer noch beobachtet sie ihn halb lächelnd, halb stirnrunzelnd. »Wie … eigenartig von ihr!«
»Ach, das finde ich nicht«, meint er lässig. »Ich gehöre inzwischen fast zur Familie, weißt du.«
»Du bist wirklich schnell. Dann bist du mit Sophie zurückgeblieben, während die anderen segeln gegangen sind?«
Er strahlt sie an. »Hast du ein Problem damit?«
Sie lacht. »Ganz und gar nicht. Ich dachte nur, du hättest ein Auge auf Jess geworfen.«
»Ja und? Ich habe noch nie gehört, dass es gegen die Regeln verstößt, zwei Frauen gleichzeitig zu mögen.«
»Du klingst genau wie deine Mutter. Möchtest du
Weitere Kostenlose Bücher