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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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mich schonen, wenn ich so einen Vorwand hätte.«
    Sie hatten sich auf das Sofa gesetzt. Paulines Haltung hatte sich etwas geändert, seit ihre Freundin Zweite in der Konfektionsabteilung geworden war. In die Herzlichkeit des gutmütigen Mädchens mengte sich ein Zug von Achtung, eine gewisse Überraschung, daß die kleine, schwächliche Verkäuferin von ehemals im Begriff war, ihr Glück zu machen. Denise aber liebte sie sehr und vertraute unter den zweihundertfünfzig Kolleginnen, die gegenwärtig im Hause beschäftigt waren, nur ihr allein.
    »Was ist mit Ihnen?« fragte Pauline, als sie die Verwirrung des Mädchens bemerkte.
    »Oh, nichts«, beteuerte Denise mit einem Versuch zu lächeln.
    »Doch, doch, es ist etwas. Sie trauen mir nicht; warum erzählen Sie mir Ihren Kummer nicht?«
    Da konnte Denise nicht länger an sich halten. Sie reichte Pauline den Brief und stotterte:
    »Schauen Sie, er hat mir geschrieben.«
    Sie hatten untereinander noch niemals offen von Mouret gesprochen; aber eben dieses Stillschweigen war gleichsam ein Eingeständnis ihrer geheimen Gedanken. Pauline wußte Bescheid. Nachdem sie den Brief gelesen hatte, zog sie Denise an sich, legte den Arm um sie und flüsterte:
    »Meine Liebe, wenn ich offen sein darf, ich meinte, es sei schon geschehen … Seien Sie doch nicht so entrüstet; ich versichere Ihnen, das ganze Haus ist dieser Ansicht. Mein Gott, er hat Sie so rasch zur Zweiten ernannt, und dann ist er fortwährend hinter Ihnen her — es ist zu offenkundig«
    Sie küßte sie auf die Wange und fragte dann:
    »Sie werden der Einladung natürlich folgen?«
    Denise betrachtete sie, ohne zu antworten, dann brach sie plötzlich in Schluchzen aus und legte den Kopf auf die Schulter ihrer Freundin. Pauline war sehr überrascht.
    »Beruhigen Sie sich doch«, sagte sie, »es ist ja nichts dabei. Warum sind Sie darüber so entsetzt?«
    »Nein, nein, lassen Sie mich«, stammelte Denise; »wenn Sie wüßten, welchen Kummer mir das macht! Seit ich diesen Brief habe, bin ich ganz außer mir. Lassen Sie mich weinen, das erleichtert mir das Herz.«
    Pauline war sehr gerührt und sprach ihr Trost zu, ohne sie eigentlich recht zu begreifen. Vor allem treffe er sich doch mit Claire nicht mehr, sagte sie. Man erzähle sich zwar, daß er außerhalb des Hauses zu einer Dame gehe, aber das sei nicht erwiesen. Dann erklärte sie ihr, bei einem Mann in einer solchen Stellung dürfe man nicht eifersüchtig sein. Er habe zu viel Geld und er sei schließlich der Chef.
    Denise hörte ihr zu; wenn sie noch an ihrer Liebe hätte zweifeln können, so mußte sie ihr jetzt klar bewußt werden bei dem Schmerz, den ihr der Name Claires und die Anspielung auf Frau Desforges verursachten.
    »Sie würden also gehen?« fragte sie.
    »Natürlich; was soll man denn anderes tun?« rief Pauline, ohne lange zu überlegen.
    Dann fügte sie hinzu:
    »Früher wenigstens hätte ich es getan. Heute nicht mehr, denn jetzt will ich mich mit Baugé verheiraten, und da wäre es ja wirklich schlimm.«
    In der Tat wollte Baugé, der das »Bon-Marché« verlassen hatte, um beim »Paradies der Damen« einzutreten, sie gegen Ende August heiraten. Bourdoncle war kein Freund von Ehepaaren im Hause, allein sie hatten die Einwilligung zu ihrer Heirat erhalten und hofften, sogar vierzehn Tage Urlaub zu bekommen.
    »Sehen Sie wohl«, erklärte Denise. »Wenn ein Mann ein Mädchen liebt, muß er es heiraten. Baugé heiratet Sie.«
    Pauline lachte hell auf. Dann umarmte sie sie und sagte:
    »Meine Liebe, das ist doch etwas anderes. Baugé heiratet mich, weil er Baugé ist, er ist aus dem gleichen Stand wie ich, da geht die Sache von selbst … Herr Mouret aber — kann Herr Mouret eine seiner Verkäuferinnen heiraten?«
    Sie lachte wieder und küßte Denise freundschaftlich. Ihr breites Gesicht mit den kleinen zärtlichen Augen nahm den Ausdruck mütterlicher Teilnahme an. Dann erhob sie sich, öffnete das Klavier und begann leise mit einem Finger eine Melodie zu klimpern. Denise war im Sofa zurückgesunken und stützte den Kopf auf die Lehne; sie war abermals in Schluchzen ausgebrochen und preßte krampfhaft ihr Taschentuch an die Augen.
    »Schon wieder?« rief Pauline und wandte sich um. »Sie sind wirklich nicht gescheit. Warum haben Sie mich hierhergeführt? Wir hätten in Ihrem Zimmer bleiben sollen.«
    Sie kniete vor ihr nieder und begann ihr von neuem gut zuzureden. Wieviele andere wären gerne an ihrer Stelle, sagte sie; übrigens, wenn ihr die

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