Das Paradies der Damen - 11
Edmond trug einen großen Schuhkarton, während der Jüngste, Lucien, ein neues Käppi aufhatte.
»Du auch!« sagte Frau Desforges lachend zu ihrer alten Pensionatsfreundin.
»Sprich mir nicht davon!« rief Frau Bourdelais. »Ich bin wütend … Jetzt fangen sie uns mit diesen kleinen Wesen! Du weißt es ja: für mich selber mache ich solche Dummheiten nicht. Aber wie willst du den Kindern widerstehen, die nach allem greifen? Ich wollte sie spazierenführen — und sieh da, schon kaufe ich das Haus leer!«
Mouret, der noch immer in Gesellschaft von Vallagnosc und Herrn von Boves dort stand, hörte es mit lächelnder Miene. Sie bemerkte ihn und beklagte sich heiter, aber nicht ohne einen Anflug wirklicher Gereiztheit über die Fallen, die man der Zärtlichkeit der Mütter stellte. Der Gedanke, daß sie der Macht der Reklame unterlegen war, regte sie auf, und er, immer lächelnd, verneigte sich und freute sich dieses Triumphes.
Herr von Boves hatte es im Nu fertiggebracht, sich Frau Guibal wieder zu nähern, und versuchte nun, Vallagnosc ein zweites Mal abzuschütteln; aber dieser, der lärmenden Unruhe müde, beeilte sich, den Grafen einzuholen. Denise blieb abermals stehen, um auf die Damen zu warten. Sie hatte sich abgewandt, und auch Mouret tat, als sähe er sie nicht. Von nun an zweifelte Frau Desforges mit dem feinen Sinn der eifersüchtigen Frau nicht mehr. Während er sie begrüßte und in der Weise des artigen Hausherrn mit ihr plauderte, sann sie nach und überlegte, wie sie ihn seines Verrats überfuhren könne.
Inzwischen gelangten Herr von Boves und Vallagnosc, die mit Madame Guibal vorangingen, zu den Spitzen. Dort saßen im Hintergrund zwei Damen und ließen sich von Deloche Chantillyspitzen vorlegen, ohne etwas zu kaufen.
»Sieh an!« rief Vallagnosc sehr erstaunt, »Sie sagten doch, Frau von Boves sei unwohl. Dahinten sitzt sie ja vor dem Tisch mit Fräulein Blanche!«
Der Graf konnte seinen Schrecken nicht unterdrücken und warf einen Seitenblick auf Frau Guibal.
»Tatsächlich!« sagte er.
»Ich glaube, die Damen richten Sie zugrunde«, bemerkte Vallagnosc, vergnügt über dieses Zusammentreffen.
Herr von Boves winkte ab mit der Gebärde eines Mannes, welcher der Besonnenheit seiner Frau um so sicherer ist, als er ihr nicht einen Heller gibt. Nachdem Frau von Boves mit ihrer Tochter nach allen Richtungen herumgestreift war, ohne etwas zu kaufen, war sie endlich in einem Anfall unbefriedigten Verlangens bei den Spitzen gelandet. Sie wühlte in dem Haufen, ihre Hände wurden feucht, sie glühte am ganzen Körper. Als ihre Tochter gerade den Kopf umwandte und der Verkäufer sich einen Augenblick entfernte, wollte sie plötzlich ein Stück Alençonspitze unter ihren Mantel gleiten lassen. Aber sie erschrak und ließ das Stück wieder los, als sie hinter sich die vergnügte Stimme Vallagnoscs sagen hörte:
»Hier überraschen wir Sie also, gnädige Frau!«
Einige Sekunden blieb sie stumm, unfähig, sich zu rühren. Dann erklärte sie, daß sie sich besser gefühlt habe und an die Luft gehen wollte. Und als sie ihren Mann mit Frau Guibal bemerkte, erholte sie sich vollends wieder; sie blickte die beiden mit so würdevoller Miene an, daß die andere sagen zu müssen glaubte:
»Ich kam mit Frau Desforges, da sind uns die Herren begegnet.« Eben kamen auch die anderen Damen hinzu. Ein letztes Mal durchstreiften sie die verschiedenen Abteilungen. Es war vier Uhr geworden, die sinkende Sonne warf ihre Strahlen schräg durch die Fenster der Vorderfront und die Verglasung der Hallen. Es war, als funkelten die Waren noch einmal in lebendiger Glut, Spiegel strahlten den Glanz wider, und wie ein feiner Vorhang flimmerte im Sonnenlicht der von all den vielen Füßen aufgewirbelte Staub.
Frau Desforges hatte endlich ihren Reisemantel gekauft und ging, über einen Vorwand nachsinnend, unter dem sie Denise einmal zu sich kommen lassen könnte. Sie wollte sie in Gegenwart von Mouret selbst demütigen, um beider Mienen zu sehen und daraus Gewißheit für sich zu schöpfen.
Während es Herrn von Boves gelungen war, mit Frau Guibal in der Menge zu verschwinden, war seine Frau, gefolgt von Blanche und Vallagnosc, auf den Einfall gekommen, einen roten Ballon zu verlangen, obwohl sie nichts gekauft hatte. Er sei für den Kleinen ihres Hausmeisters, sagte sie. An der Ausgabestelle war man gerade beim vierzigsten Tausend angelangt: vierzigtausend rote Ballons, die ihren Flug in der schwülen Luft der
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