Das Paradies der Damen - 11
Verkäufer, ja selbst die Laufburschen. Diese Leute wurden dann auf die verschiedenen Räume verteilt, damit die Arbeit rascher vonstatten ging. Denise fand den Kassierer Lhomme und den Laufburschen Joseph an ihrer Seite, beide über große Bogen Papier gebeugt.
»Fünf Mäntel, Tuch, mit Pelzbesatz, Größe drei, zu zweihundertfünfzig Franken«, rief Marguerite. »Viermal dasselbe, Größe eins, zu zweihundertzwanzig.«
Die Arbeit ging wieder an. Drei Verkäuferinnen hinter Marguerite waren damit beschäftigt, die Schränke auszuleeren; dann ordneten sie die Artikel vor und reichten sie ihr in ganzen Packen hin. Wenn Marguerite ihrerseits sie ausgerufen hatte, warf sie sie auf die Tische, wo sie sich allmählich zu riesigen Stößen türmten. Lhomme schrieb auf, und Joseph legte zur Kontrolle eine zweite Liste an. Inzwischen war Frau Aurélie, von drei anderen Verkäuferinnen unterstützt, damit beschäftigt, die Seidenkleider zusammenzuzählen, die Denise aufnahm. Claire war damit betraut, die erledigten Stapel zu überwachen und zu ordnen, damit sie auf den Tischen so wenig Platz wie möglich einnahmen. Aber sie war ganz und gar nicht bei der Arbeit, einzelne Stöße fielen bereits auseinander.
»Sagen Sie mal«, fragte sie eine Verkäuferin, die im Laufe des Winters eingetreten war, »werden Sie auch Gehaltserhöhung bekommen? Denken Sie bloß, die Zweite soll auf zweitausend heraufgesetzt werden, und das macht mit ihrer Verkaufsprovision siebentausend Franken!«
Ohne in der Arbeit innezuhalten, erklärte die andere, daß sie die Bude im Stich lassen wolle, wenn man ihr nicht achthundert Franken gebe. Die Gehaltserhöhungen fanden gewöhnlich am Tag nach der Inventur statt; an diesem Tag bekamen auch die Abteilungsleiter ihren Anteil am Mehrgewinn gegenüber dem Vorjahr. Diese Geldfragen beschäftigten daher einen jeden während der Arbeit. Man flüsterte sich zu, daß Frau Aurélie auf fünfundzwanzigtausend Franken kommen werde. Diese Summe versetzte die Mädchen in höchste Aufregung. Marguerite, die beste Verkäuferin nach Denise, hatte es auf fünfzehnhundert Franken feste Bezahlung und dreitausend Provision gebracht, während Claire alles in allem nur zweitausendfünfhundert Franken erreichte.
»Ich kümmere mich wenig um die Gehaltsaufbesserung«, meinte diese. »Wenn mein Vater einmal tot ist, lasse ich sie alle sitzen … Mich ärgern nur die siebentausend Franken dieser Vogelscheuche.«
Frau Aurélie unterbrach plötzlich dieses Gespräch.
»Schweigen Sie doch, man versteht ja sein eigenes Wort nicht mehr!«
Dann fuhr sie fort auszurufen:
»Sieben Rokokomäntel, Größe eins, zu hundertdreißig! Drei Pelzumhänge Surah, Größe zwei, zu hundertfünfzig. Haben Sie geschrieben, Fräulein Denise?«
Claire mußte sich wieder mit den auf den Tischen liegenden Kleidungsstücken beschäftigen; sie schob sie weiter, um Platz zu gewinnen. Doch bald ließ sie ihre Arbeit von neuem im Stich, um mit einem Verkäufer zu sprechen, der aus seiner Abteilung heraufgekomemn war. Es war Mignot, der zwanzig Franken von ihr leihen wollte. Er war ihr schon dreißig schuldig, die er nach einem Wettrennen, wo er sein ganzes Geld auf ein Pferd gesetzt und verloren hatte, von ihr geborgt hatte. Claire trug nicht mehr als zehn Franken bei sich, die sie ihm aber bereitwillig gab.
Sie plauderten noch eine Weile, dann beugte sich Mignot, der seine zwanzig Franken brauchte, zu Lhomme, um den Rest von ihm zu verlangen. Der Kassierer, in seiner Schreiberei gestört, schien sehr verlegen. Er wagte aber nicht, die Bitte abzuschlagen, und suchte in seinem Portemonnaie nach einem Zehnfrankenstück, als Frau Aurélie, überrascht, daß sie Marguerites Stimme nicht mehr hörte, sich umwandte und Mignot erblickte. Da begriff sie. Sie sandte ihn schroff in seine Abteilung zurück; er brauche nicht hierherzukommen, um die Damen von der Arbeit abzuhalten. In Wahrheit hatte sie Angst vor dem jungen Mann, der ein intimer Freund ihres Sohnes Albert und der Mitschuldige an allerlei bösen Streichen war, die, wie sie befürchtete, eines Tages ein schlimmes Ende nehmen würden. Als er seine zehn Franken hatte und davongegangen war, sagte Frau Aurélie zu ihrem Mann:
»Du wirst dich hoffentlich von diesem Gecken nicht an der Nase herumführen lassen.«
»Aber ich konnte ihn wirklich nicht abweisen …«
Sie zuckte nur die Achseln. Als sie sah, daß die Verkäuferinnen sich über diese kleine häusliche Auseinandersetzung lustig machten,
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