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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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mehr aber verstörte sie, daß sie ihr eigenes Herz stürmisch klopfen fühlte. Warum verletzte er sie mit all diesem Geld, während sie von Dankbarkeit überströmte und er sie mit einem einzigen freundlichen Wort hätte gewinnen können? Er näherte sich ihr wieder unter allerlei Scherzen, als zu seinem größten Mißvergnügen Bourdoncle unter dem Vorwand erschien, er müsse ihm mitteilen, wieviel Kunden am heutigen Tag das »Paradies der Damen« besucht hatten: siebzigtausend waren es gewesen.
    Diese Gelegenheit benutzte Denise; sie entfernte sich schnell, nachdem sie ihm noch einmal gedankt hatte.
     

Zehntes Kapitel
    Am ersten Sonntag im August wurde Inventur gemacht; bis zum Abend sollte sie beendet sein. Wie an Werktagen war schon am Morgen jeder auf seinem Posten, und bei geschlossenen Türen begann die Arbeit.
    Denise war nicht um acht Uhr heruntergekommen wie die übrigen Verkäuferinnen. Sie hatte fünf Tage an einer Sehnenzerrung, die sie sich durch das viele Treppensteigen zugezogen hatte, krank gelegen. Mittlerweile ging es ihr besser; allein da Frau Aurélie sie überaus freundlich behandelte, beeilte sie sich nicht allzu sehr. Mit Mühe zog sie ihre Schuhe an, da sie trotz allem entschlossen war, sich in der Abteilung zu zeigen. Die Zimmer der Verkäuferinnen nahmen jetzt an der Rue Monsigny entlang den ganzen fünften Stock des neuen Gebäudes ein. Es waren insgesamt sechzig, zu beiden Seiten eines Ganges gelegen; sie waren etwas bequemer als die alten, obgleich nach wie vor nur mit einem schmalen Eisenbett, einem großen Schrank und einem kleinen Nußbaumtisch möbliert.
    Denise hatte übrigens als stellvertretende Abteilungsleiterin eines der größten Zimmer bekommen, dessen zwei Mansardenfenster auf die Straße gingen. Sie war jetzt fast reich und gönnte sich manchen Luxus, so eine Daunendecke, einen kleinen Teppich vor dem Schrank und zwei blaue Glasvasen, in denen ein paar Rosen welkten.
    Als sie die Schuhe angezogen hatte, versuchte sie vorsichtig, im Zimmer auf und ab zu gehen. Sie nahm sich vor, zeitig zu Bett zu gehen, um ihr krankes Bein zu schonen. Da klopfte die Aufseherin, Frau Cabin, an die Tür und übergab ihr mit geheimnisvoller Miene einen Brief.
    Als die Tür geschlossen war, öffnete Denise das Schreiben, ganz betroffen über das geheimnisvolle Lächeln der Frau. Doch kaum hatte sie gelesen, da wurde sie sehr blaß und sank in einen Sessel. Es war ein Brief von Mouret, in dem er schrieb, daß er über ihre Genesung glücklich sei, und sie einlud, abends mit ihm zu essen, da sie doch nicht ausgehen könne. Der Ton, vertraulich und väterlich zugleich, hatte nichts Verletzendes; allein sie konnte den Sinn unmöglich mißverstehen. Im ganzen Haus wußte man nur zu gut, was diese Einladungen zu bedeuten hatten; Claire hatte mit ihm gegessen, andere auch, all jene, auf die er sein Auge geworfen hatte. Und nach dem Essen kam der Nachtisch, wie die Angestellten boshaft zu sagen pflegten. Die bleichen Wangen des Mädchens nahmen allmählich eine tiefe Schamröte an.
    Sie hatte den Brief auf die Knie gleiten lassen und saß mit hochklopfendem Herzen da, die Augen starr auf die hellen Fenster gerichtet. Sie wiederholte sich ein Geständnis, das sie sich in diesem Zimmer in Stunden der Schlaflosigkeit inzwischen oft gemacht hatte: sie hatte ihn schon geliebt, als sie ihn noch fürchtete wie einen erbarmungslosen Herrn. Sie hatte ihn geliebt, als ihr törichtes Herz von Hutin träumte. Sie hätte sich vielleicht einem andern hingegeben, aber niemals hätte sie einen andern geliebt als diesen Mann, dessen Blick sie erstarren ließ. Abermals klopfte es an die Tür; sie beeilte sich, den Brief verschwinden zu lassen. Es war Pauline, die unter irgendeinem Vorwand ihre Abteilung verlassen hatte und heraufkam, um ein wenig zu plaudern.
    »Wie geht es Ihnen? Man sieht Sie ja gar nicht mehr.«
    Da es verboten war, in die Zimmer hinaufzugehen und insbesondere sich zu zweien einzuschließen, führte Denise sie in den Aufenthaltsraum am anderen Ende des Flurs; es war dies ein Entgegenkommen des Chefs den weiblichen Angestellten gegenüber, die dort bis elf Uhr lesend oder arbeitend den Feierabend verbringen konnten. Das Zimmer, nüchtern wie ein Hotelsaal, war mit einem Klavier, einem großen Tisch, mehreren Sesseln und einem Sofa möbliert.
    »Wie Sie sehen, kann ich schon gehen«, sagte Denise. »Ich werde gleich hinunterkommen.«
    »Nanu, wozu der große Eifer?« rief die andere. »Ich würde

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