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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Geschichte zu sein.«
    »Dasselbe, fünfundzwanzig Meter!« schrie Hutin dazwischen. Man hörte das Stück dumpf zur Erde fallen. Dann fuhr er leise fort:
    »Sie wissen doch, sie hat da drüben auch nicht schlecht gelebt bei dem alten Narren Bourras …«
    Jetzt beteiligte sich die ganze Abteilung an der Unterhaltung, ohne daß deshalb die Arbeit gelitten hätte. Bouthemont selbst konnte sich nicht enthalten, einen abgeschmackten Scherz zu wagen. Albert, der heute hier aushalf, versicherte, er habe die Zweite aus der Konfektionsabteilung mit zwei Soldaten gesehen. Eben kam Mignot herab mit den zwanzig Franken, die er sich geborgt hatte. Er blieb bei Albert stehen, steckte ihm ein Zehnfrankenstück zu. und besprach mit ihm ein Stelldichein für den Abend; als auch er die Geschichte mit dem Brief erfuhr, machte er einen so derben Witz, daß Bouthemont sich endlich genötigt sah, dazwischenzutreten.
    »Genug, meine Herren, das geht uns nichts an. Vorwärts, Herr Hutin!«
    »Phantasieseide, kleinkariert, zweiunddreißig Meter zu sechs Franken fünfzig!« rief dieser.
    Wieder fuhren die Federn fleißig über das Papier, die notierten Stücke fielen zu Boden, der Haufen wurde immer größer. Die Liste der Phantasieseide wollte kein Ende nehmen. Favier bemerkte halblaut, das sei ja ein prächtiger Vorrat; die Geschäftsleitung werde nicht sonderlich entzückt sein. Dieser dumme Bouthemont sei vielleicht der beste Einkäufer in Paris, aber als Verkäufer sei er nicht viel wert. Hutin lächelte entzückt und gab mit einem Kopfnicken seine Zustimmung zu erkennen, denn nachdem ausgerechnet er Bouthemont beim »Paradies der Damen« eingeführt hatte, um Robineau zu verdrängen, unterminierte er nun dessen Posten, um ihn für sich selbst zu erlangen. Es war der gleiche Krieg wie ehemals, gemeine Verleumdungen, die man den Vorgesetzten zuflüsterte, übertriebener Eifer, um den eigenen Wert besser hervortreten zu lassen, kurz, ein ganz hinterhältiger Feldzug.
    Favier hinwiederum, gegen den Hutin nun von neuem sehr herablassend war, wartete nur darauf, daß der andere Bouthemont verschluckte, um dann seinerseits Hutin aufzufressen. Er hoffte, den Platz des Zweiten zu erhalten, falls es Hutin gelang, Bouthemont zu verdrängen. Dann würde man schon sehen.
    Sie unterhielten sich weiter von den voraussichtlichen Gehaltserhöhungen, ohne deswegen ihre Arbeit zu unterbrechen. Man schätzte die Einkünfte Bouthemonts dieses Jahr auf dreißigtausend Franken; Hutin würde mehr als zehntausend bekommen, Favier rechnete einschließlich Provision mit fünftausendfünfhundert. Die Abteilung machte von Jahr zu Jahr bessere Geschäfte, und die Angestellten stiegen demzufolge in ihren Bezügen immer höher.
    »Sind wir noch nicht fertig mit diesen Phantasieseiden?« rief Bouthemont ärgerlich. »Wir haben aber auch einen sauberen Frühling dieses Jahr! Nichts als Regen! Alles kauft schwarze Seide.«
    Sein breites, sonst so vergnügtes Gesicht verdüsterte sich; er sah den Haufen auf der Erde immer größer werden, während Hutin fortfuhr, mit heller, triumphierender Stimme auszurufen:
    »Phantasieseide, kleinkariert, achtundzwanzig Meter zu sechs Franken fünfzig!«
    Es war noch ein ganzes Fach voll da. Favier war müde und beeilte sich darum nicht sehr. Während er Hutin die letzten Stücke reichte, sagte er leise:
    »Ich habe ganz vergessen, Ihnen zu erzählen: man spricht davon, daß die Zweite der Konfektionsabteilung in Sie vernarrt gewesen sei.«
    Der junge Mann war sehr überrascht.
    »Wie, was?« fragte er.
    »Ja, dieser Gimpel Deloche hat das Geheimnis verraten. Ich erinnere mich aber jetzt, daß sie Ihnen früher immer auf der Spur war.«
    Seit Hutin zum Zweiten aufgerückt war, gab er sich nicht mehr mit seinen Tingeltangelsängerinnen ab, sondern prahlte, daß er jetzt mit Gouvernanten und Lehrerinnen verkehre. Obwohl er sich sehr geschmeichelt fühlte, erwiderte er mit geringschätziger Miene:
    »Ich mag die Weiber lieber etwas mehr gepolstert. Und dann gehe ich nicht mit der erstbesten wie unser Herr Chef.«
    Er unterbrach sich, um auszurufen:
    »Weiße Seide, fünfunddreißig Meter zu acht Franken fünfundsiebzig!«
    »Ah, endlich!« murmelte Bouthemont erleichtert.
    Gerade wurde eine Glocke geläutet: es ging zum zweiten Tisch, dem auch Favier angehörte. Er stieg von der Leiter herab, und ein anderer nahm seine Stelle ein. In allen Abteilungen war mittlerweile der Boden mit Waren bedeckt; die Fächer, die Kartons, die Schränke

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