Das Paradies der Damen - 11
strenge Gesicht einer Herrin, die schwer zu befriedigen ist. Glücklich bei dem Gedanken, das Mädchen zu dieser Dienstbotentätigkeit erniedrigen zu können, gab sie ihr kurze, gemessene Befehle und beobachtete dabei unentwegt das nervöse Zucken im Gesicht Mourets.
»Nehmen Sie hier noch eine Stecknadel — nein, nicht dort, hier neben dem Ärmel. Verstehen Sie denn nicht? … Nehmen Sie sich in acht, Sie werden mich stechen.«
Mouret hatte schon zweimal vergebens versucht, dazwischenzutreten und dieser Szene ein Ende zu machen. Sein Herz klopfte heftig, er fühlte seine Liebe gedemütigt, und angesichts des geduldigen Stillschweigens, das Denise bewahrte, wuchs seine Zärtlichkeit für sie nur. Als Frau Desforges sah, daß sie sich nicht verraten würden, versuchte sie es auf eine andere Weise; sie lächelte Mouret zu, um ihn als ihren Geliebten auszuspielen. Da die Stecknadeln ausgegangen waren, sagte sie:
»Ach, lieber Freund, schauen Sie doch bitte in dem Elfenbeinkästchen auf dem Toilettentisch nach. Ist es leer, wirklich? Sind Sie dann so liebenswürdig und suchen auf dem Kamin im Schlafzimmer? Sie wissen ja: in der Ecke beim Spiegel.«
Sie gab so zu erkennen, daß er sich in ihrem Schlafzimmer gut auskannte, behandelte ihn wie jemanden, der auch weiß, wo Kämme und Bürsten liegen. Als er ihr die Stecknadeln gebracht hatte, nahm sie eine nach der anderen, nötigte ihn, neben ihr stehenzubleiben, schaute ihn an und sprach leise mit ihm, als wäre Denise gar nicht da.
»Ich bin doch nicht bucklig … Geben Sie Ihre Hand her, befühlen Sie meine Schultern — bin ich denn so schief gebaut?«
Denise hatte langsam aufgeblickt; sie war noch blasser als vorher und begann von neuem, schweigend die Nadeln festzustecken. Mouret sah nichts als ihr reiches, blondes Haar und ihren zarten Nacken; aber er glaubte das Unbehagen und die Scham auf ihrem Gesicht förmlich zu spüren. Jetzt würde sie ihn noch mehr zurückstoßen, sagte er sich, würde ihn zu dieser Frau schicken, die ihr Verhältnis selbst vor einer Fremden nicht verbarg. Seine Fäuste ballten sich krampfhaft, er fühlte nicht übel Lust, Henriette zu schlagen. Wie sollte er sie zum Schweigen bringen? Wie sollte er Denise zu verstehen geben, daß er sie anbete, daß sie allein für ihn da sei, daß er alle seine früheren Liebschaften ihr aufzuopfern bereit sei? Nicht einmal eine gewöhnliche Dirne hätte sich die zweideutigen Vertraulichkeiten dieser Frau erlaubt.
»Es ist überflüssig, daß Sie sich weiter damit aufhalten, gnädige Frau«, sagte er endlich. »Ich finde selbst, daß der Mantel verschnitten ist.«
Nun erhob sich auch Denise.
»Das ist alles, was ich tun kann, gnädige Frau«, bemerkte sie.
Sie war mit ihrer Kraft am Ende. In ihrem Kummer hatte sie sich schon zweimal mit den Stecknadeln in die Finger gestochen. War er denn mit Frau Desforges im Bunde? Hatte er sie kommen lassen, um sich für ihre Weigerung zu rächen, indem er ihr die anderen Frauen zeigte, die ihn liebten? Dieser Gedanke lähmte sie. Niemals hatte sie so sehr all ihrer Kraft bedurft wie in diesem Augenblick. Die Demütigung wog nicht schwer; aber ihn fast in den Armen einer anderen zu sehen, hier vor ihren Augen …
Henriette betrachtete sich vor dem Spiegel, dann brach sie von neuem in harte Worte aus.
»Das ist doch die Höhe, Fräulein! Der Mantel sitzt jetzt noch schlechter als früher. Schauen Sie, wie er über der Brust spannt, ich sehe ja aus wie eine Amme!«
Zum Äußersten getrieben, ließ Denise sich ein gereiztes Wort entschlüpfen:
»Gnädige Frau sind eben etwas stark, wir können Sie beim besten Willen nicht schlanker machen.«
»Stark, stark?« wiederholte Henriette erblassend. »Jetzt werden Sie gar unverschämt, Fräulein! Sie haben es nötig, andere abfällig zu beurteilen!«
Sie betrachteten einander bleich und bebend. Da gab es keinen Unterschied mehr zwischen Dame und Verkäuferin; sie waren nur noch Frauen, einander gleich in ihrer Feindschaft.
»Es wundert mich«, fuhr Henriette fort, »daß Herr Mouret eine solche Unverschämtheit duldet. Ich dachte, Sie wären strenger mit Ihrem Personal, Herr Mouret.«
Denise hatte ihre Ruhe und Fassung wiedergefunden; sie erwiderte höflich:
»Wenn Herr Mouret mich im Dienst behält, so geschieht es wohl, weil er mir nichts vorzuwerfen hat. Ich bin bereit, mich bei Ihnen zu entschuldigen, wenn er es wünscht.«
Erschüttert von diesem Streit, stand Mouret wortlos da. Er hatte eine tiefe Scheu
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