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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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denn er kannte die Geschichte mit dieser Denise, die er im Vorzimmer getroffen hatte.
    »Leiden ist nicht meine Spezialität«, sagte Mouret prahlerisch. »Es ist doch genug, wenn ich bezahle.«
    Der Baron betrachtete ihn einen Augenblick schweigend. Dann bemerkte er leise:
    »Machen Sie sich nicht schlechter, als Sie sind. Sie lassen bei der Geschichte noch andere Dinge als Ihr Geld — ja, Sie werden Ihr Herz dabei lassen, mein Lieber. Nicht wahr, Herr von Vallagnosc, das kommt vor?«
    »Man sagt so, Herr Baron«, erwiderte Vallagnosc schlicht.
    In diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet. Mouret, der eben antworten wollte, fuhr leicht zusammen, alle drei Herren wandten sich um. Es war Frau Desforges, die mit heiterer Miene den Kopf hereinsteckte und in dringendem Ton rief:
    »Herr Mouret, Herr Mouret! — Verzeihen Sie, meine Herren, daß ich Ihnen Herrn Mouret auf einen Augenblick entführe. Er hat mir einen abscheulichen Mantel verkauft, und da ist es doch das wenigste, daß er mir seine Meinung sagt. Dieses Mädchen ist so dumm und einfallslos … Kommen Sie, ich erwarte Sie!«
    Er zögerte, denn er sah die Szene voraus, die jetzt folgen würde. Allein er mußte gehorchen. Der Baron sagte in seiner väterlichen und zugleich spöttischen Art:
    »Gehen Sie, mein Lieber, die gnädige Frau braucht Sie.«
    Mouret folgte ihr. Die Tür fiel wieder ins Schloß, und er glaubte hinter sich Vallagnoscs Spott zu hören. Es war mit seinem Mut zu Ende. Seit Henriette den Salon verlassen hatte und er wußte, daß Denise sich in der Hand dieser eifersüchtigen Frau befand, hatte sich seiner eine steigende Angst bemächtigt. Es war eine innere Marter, die ihn zwang, fortwährend die Ohren zu spitzen, als ob er jeden Augenblick ein Schluchzen vernehmen müßte. Was konnte diese Frau alles erfinden, um Denise zu quälen! Seine ganze Liebe, die ihn noch immer überraschte, flog dem Mädchen zu, gleichsam als Trost und Stütze. Noch nie hatte er so, mit diesem mächtigen, im Leid verborgenen Reiz geliebt. Seine Abenteuer als Geschäftsmann, selbst Henriette, so fein, so hübsch sie auch war, so stolz ihr Besitz ihn machte, war nichts als ein angenehmer Zeitvertreib gewesen, in dem ein gut Teil Berechnung mitspielte. Jetzt aber klopfte sein Herz beklommen, es war mit seiner Freiheit vorbei, ja er fand nachts keinen Schlaf mehr. Denise hatte ihn unaufhörlich in ihrer Gewalt. Selbst in diesem Augenblick gab es für ihn nichts als sie, und er dachte bei sich, er müsse Henriette schon deshalb folgen, damit er nötigenfalls Denise verteidigen könne.
    Sie gingen durch das Schlafzimmer, das still und leer war. Dann stieß Frau Desforges eine Tür auf und trat in ihr Ankleidekabinett. Mouret folgte ihr. Es war ein geräumiges Zimmer, ganz mit roter Seide tapeziert; ein Toilettentisch und ein großer dreiteiliger Schrank mit breiten Spiegeltüren bildeten die Einrichtung. Da die Fenster auf den Hof gingen, war es in diesem Raum schon dunkel. Man hatte deshalb zwei Gasflammen angezündet.
    Denise stand mitten im Zimmer unter dem hellen Gaslicht. Sie war sehr blaß, bescheiden gekleidet und hielt auf dem Arm den Mantel, den Frau Desforges im »Paradies der Damen« gekauft hatte. Als sie den jungen Mann eintreten sah, schrak sie unmerklich zusammen.
    »Herr Mouret soll selbst urteilen«, sagte Henriette; »helfen Sie mir, Fräulein.«
    Denise mußte nähertreten und ihr den Mantel umlegen. Sie hatte die Schultern, die nicht recht paßten, schon mit Nadeln abgesteckt. Henriette wandte sich um und betrachtete sich vor den Spiegeltüren des Schrankes.
    »Ist so etwas möglich? Sprechen Sie ganz offen.«
    »Er ist in der Tat verschnitten, gnädige Frau«, sagte Mouret, um die Sache kurz abzutun. »Aber das ist ganz einfach: das Fräulein wird Ihnen Maß nehmen, und wir werden Ihnen einen anderen Mantel machen.«
    »Nein, ich will diesen, ich brauche ihn sofort«, antwortete sie lebhaft, »aber er ist über der Brust zu eng, während er sich hier am Hals bauscht.«
    Dann fügte sie trocken hinzu:
    »Wenn Sie mich bloß anschauen, Fräulein, wird die Sache nicht besser. Suchen Sie doch, lassen Sie sich etwas einfallen, das ist ja Ihre Aufgabe.«
    Wortlos begann Denise wieder mit den Stecknadeln zu hantieren. Es dauerte lange, sie mußte beide Seiten aufeinander abstimmen, einmal mußte sie sich sogar bücken, fast niederknien, um die Länge des Mantels zu korrigieren. Die ganze Zeit über zeigte Frau Desforges, die sich ihr überließ, das

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