Das Paradies der Damen - 11
Handeln, schaffen, sich mit den Tatsachen herumschlagen und sie besiegen oder von ihnen besiegt werden: darin liegt alle Freude, alle Kraft des Menschen beschlossen!«
»Nichts als eine Art, sich zu betäuben«, murmelte der andere.
»Nun, dann will ich mich eben betäuben. Ich will lieber vor Leidenschaft vergehen als vor Langeweile!«
Da lachten sie alle beide. Dennoch erging sich Vallagnosc weiter in Reden über die Nichtigkeit des Lebens. Warum sollte der Mensch sich auch anstrengen, wenn doch niemals etwas so ging, wie man wollte. Er führte seinen künftigen Schwiegervater als Beispiel an, der in Madame Guibal eine nachgiebige, gefällige Blondine, die Laune einer Stunde, zu finden gehofft hatte; und nun war sie wie mit Peitschenhieben hinter ihm her, brauchte seine letzten Kräfte auf. Während man ihn auf einer Inspektionsreise nach Saint-Lô glaubte, saß er mit ihr in einem kleinen Landhaus in Versailles und vertat den Rest seines Vermögens.
»Er ist glücklicher als du«, sagte Mouret und erhob sich.
»O gewiß«, erklärte Vallagnosc. »Überhaupt scheint nur das Schlechte amüsant zu sein.«
Mouret hatte sich wieder gefaßt und dachte daran, zu gehen, aber er wollte nicht, daß es nach einer Flucht aussehe. Er kehrte daher mit seinem Freund in den Salon zurück, wo man noch immer beim Tee war. Baron Hartmann fragte ihn, ob der Mantel endlich passe, und Mouret erwiderte ohne jede Verlegenheit, daß er die Sache aufgegeben habe.
Er setzte sich neben Bouthemont, der sich nicht von der Stelle gerührt hatte. Auf dessen Fragen erklärte er ihm ohne viel Umstände, daß die Herren in einer gemeinsamen Beratung beschlossen hätten, auf seine ferneren Dienste zu verzichten. Er tat dabei, als sei er ganz verzweifelt über diesen Beschluß. Aber was könne er tun? Er könne sich mit seinen Teilhabern wegen einer Personalfrage nicht überwerfen. Bouthemont hörte ihm blaß und schweigend zu und mußte ihm für sein Wohlwollen auch noch danken.
»Das muß ein schrecklicher Mantel sein«, erklärte jetzt Frau Marty. »Henriette will wohl gar nicht mehr wiederkommen?«
In der Tat begann das lange Ausbleiben der Hausfrau alle zu beunruhigen. Endlich erschien Frau Desforges.
»Haben Sie es auch aufgegeben?« rief Frau von Boves.
»Wieso denn?«
»Nun, Herr Mouret hat erklärt, es sei alles umsonst, der Mantel werde Ihnen niemals passen.«
Henriette tat sehr erstaunt.
»Herr Mouret hat sicher gescherzt; der Mantel sitzt jetzt vortrefflich!«
Sie schien sehr ruhig und lächelte. Ohne Zweifel hatte sie ihre Augen gewaschen, denn sie waren frisch und zeigten nicht die geringste Röte. Als wohlerzogene Dame fand sie die Kraft, ihr Leid unter der Maske der Anmut zu verstecken. Sie bot mit ihrem gewohnten Lächeln Vallagnosc ein belegtes Brötchen an. Nur der Baron, der sie sehr gut kannte, bemerkte das leise Beben ihrer Lippen und das dunkle Feuer ihrer Augen. Er ahnte, was vorgefallen war.
»Mein Gott, jeder nach seinem Geschmack«, sagte Frau von Boves. »Ich kenne Frauen, die nicht einmal einen Meter Band anderswo als im ›Louvre‹ kaufen würden. Andere wieder schwören aufs ›Bon-Marché‹ – das ist Ansichtssache.«
»Das ›Bon-Marché‹ ist doch sehr provinziell«, murmelte Frau Marty, »und im ›Louvre‹ ist immer so ein schreckliches Gedränge!«
Damit waren die Damen wieder bei den großen Warenhäusern angelangt, und Mouret mußte seine Ansicht äußern. Er trat in ihre Mitte und tat, als wolle er nur gerecht sein. Das »Bon-Marché« sei ein ausgezeichnetes Haus, urteilte er, solid und anständig, aber das »Louvre« habe die bessere Kundschaft.
»Und über allen steht das ›Paradies der Damen‹«, sagte lachend der Baron.
»Gewiß«, erwiderte Mouret ruhig. »Bei uns werden die Wünsche und der Geschmack der Kunden berücksichtigt, und man begegnet ihnen mit der meisten Zuvorkommenheit.«
Alle anwesenden Damen waren derselben Ansicht. Das war es: sie fühlten sich dort fortwährend umschmeichelt und angebetet. Auf dieser galanten Verführungskunst beruhte ja der enorme Erfolg des Hauses.
»Übrigens«, warf Henriette ein, »was macht mein Schützling, Herr Mouret, Fräulein von Fontenailles?«
Sie wandte sich zu Frau Marty und fügte erklärend hinzu:
»Eine Marquise, meine Liebe, ein armes Mädchen, das in Schwierigkeiten geraten ist.«
»Mein Gott«, sagte Mouret, »sie verdient in der Stoffmusterabteilung drei Franken täglich. Ich denke, ich werde sie mit einem meiner
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