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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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vor solchen Auseinandersetzungen unter Frauen. Henriette wollte ihm eine Äußerung entreißen, die das Mädchen verurteilte, und da er dieses Wort nicht fand, stachelte sie ihn durch eine letzte Demütigung auf.
    »Das ist ja prächtig! Ich muß mir also in meinem eigenen Haus die Unverschämtheiten Ihrer Geliebten gefallen lassen … Eines Mädchens, das Sie irgendwo aus der Gosse aufgelesen haben!« Schwere Tränen stiegen in Denises Augen. Lange schon hielt sie sie zurück, aber bei dieser Beschimpfung war ihre Kraft zu Ende. Als er sie so weinen sah, ohne auf diese Beleidigung mit gleicher Heftigkeit zu erwidern, in stiller, würdevoller Verzweiflung, da zögerte Mouret nicht länger. Sein Herz flog ihr in grenzenloser Liebe entgegen. Er nahm sie bei der Hand und sagte mit bebender Stimme:
    »Gehen Sie rasch, mein Kind, und vergessen Sie dieses Haus.« Verblüfft und sprachlos vor Zorn blickte Henriette beide an.
    »Warten Sie einen Augenblick«, fügte er dann hinzu und legte selbst den Mantel zusammen; »nehmen Sie das mit, die gnädige Frau wird sich irgendwo einen andern kaufen. Und weinen Sie nicht, bitte! Sie wissen doch, wie sehr ich Sie schätze.«
    Er begleitete sie bis zur Tür und schloß sie hinter ihr. Sie hatte kein Wort gesagt, doch eine rosige Glut war ihr in die Wangen gestiegen, während abermals Tränen in ihre Augen traten, diesmal Tränen der Freude.
    Henriette, die fast erstickte, hatte ihr Taschentuch hervorgezogen und preßte es krampfhaft an ihre Lippen. Das war das Ende all ihrer Berechnungen, sie sah sich in der eigenen Falle gefangen. Sie war verzweifelt darüber, daß sie, von ihrer Eifersucht gepeinigt, die Dinge so weit getrieben hatte. Eines solchen Geschöpfes wegen verlassen zu werden, sich vor ihr so behandelt zu sehen! Ihr Stolz litt noch mehr als ihre Liebe.
    »Also das ist das Mädchen, das Sie lieben?« stammelte sie mühsam, als sie allein waren.
    Mouret antwortete nicht gleich. Er ging mit langsamen Schritten im Zimmer auf und ab, um seiner heftigen Erregung Herr zu werden. Endlich blieb er stehen und sagte sehr höflich, aber auch sehr kühl:
    »Ja, gnädige Frau.«
    Henriette sank in einen Sessel, zerknüllte das Taschentuch zwischen ihren fieberhaft zitternden Fingern und sagte ein ums andere Mal:
    »Mein Gott, wie unglücklich ich bin!«
    Er betrachtete sie einige Sekunden stumm, dann ging er ruhig hinaus. Sie blieb allein und weinte lange vor sich hin.
    Als Mouret in den kleinen Salon zurückkehrte, fand er hier nur Vallagnosc; der Baron hatte sich wieder zu den Damen begeben. Da er noch in höchster Aufregung war, setzte er sich auf ein Sofa im Hintergrund des Zimmers. Als sein Freund ihn so verstört sah, stellte er sich barmherzig vor ihn, um ihn etwaigen neugierigen Blicken zu entziehen. Eine Weile sahen sie einander wortlos an. Dann fragte Vallagnosc, den die Verlegenheit Mourets innerlich erheiterte, spöttisch:
    »Amüsierst du dich immer noch?«
    Mouret schien die Frage nicht gleich zu verstehen. Als er sich jedoch ihres früheren Gesprächs über die Hohlheit und unnütze Quälerei des Lebens erinnerte, antwortete er:
    »Gewiß, nie habe ich so gern gelebt. Ja, mein Lieber, du brauchst dich nicht über mich lustig zu machen. Die kürzesten Stunden des Lebens sind die, in denen man vor Leid zu sterben glaubt.« Er dämpfte die Stimme und fuhr dann etwas heiterer fort, während er seine Bewegtheit kaum zu unterdrücken vermochte:
    »Du weißt Bescheid, nicht wahr? Sie haben eben alle beide mein Herz zu zerreißen versucht. Doch auch das ist noch wonnevoll, fast ebenso wonnevoll wie ihre Liebkosungen. Ich bin ganz zerschlagen, ich kann nicht mehr, aber das tut nichts; du kannst dir nicht denken, wie sehr ich das Leben liebe! Ich werde dieses Kind schließlich doch bekommen, und wenn es noch so widerspenstig ist!«
    Vallagnosc begnügte sich damit, zu sagen:
    »Und dann?«
    »Nun, dann habe ich sie. Ist das nicht genug? Du hältst dich für sehr stark, weil du nicht leiden und keine Dummheiten begehen willst. Du bist aber nur ein Narr, nichts weiter. Du weißt nicht, wie es ist, wenn man mit allen Fasern hinter so einem Mädchen her ist. Da kann eine Minute Entschädigung genug sein für alle Leiden. Ich will und werde sie besitzen! Und wenn sie mir entkommt, sollst du mal die Maschinerie sehen, die ich mir aufbauen werde, um mich zu kurieren! … Du verstehst das nicht, mein Lieber. Sonst würdest du wissen, daß die Aktivität schon ihren Lohn in sich trägt.

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