Das Paradies der Damen - 11
Laufburschen verheiraten.«
»Pfui, was für eine schreckliche Idee!« rief Frau von Boves. Er sah sie an und sagte ruhig:
»Warum denn, gnädige Frau? Ist es nicht besser, einen wackeren Jungen und tüchtigen Arbeiter zu heiraten, als Gefahr zu laufen, daß man auf den Straßen durch irgendeinen Taugenichts aufgelesen wird?«
Vallagnosc glaubte, sich ins Mittel legen zu müssen, und bemerkte scherzend:
»Treiben Sie ihn nicht zu weit, gnädige Frau, sonst wird er Ihnen noch sagen, daß alle alten Familien Frankreichs besser daran täten, sich dem Handel zu widmen.«
»Das wäre für viele von ihnen wirklich ein ehrenvolles Ende«, erklärte Mouret.
Alle lachten; das erschien ihnen doch zu widersinnig. Er aber fuhr fort, sich in Lobpreisungen über das zu ergehen, was er den Adel der Arbeit nannte.
Mittlerweile saß Bouthemont regungslos in seinem Sessel. Noch klangen ihm die Worte Mourets in den Ohren; endlich erhob ei sich und sagte leise zu Henriette:
»Er hat mir eben meine Entlassung mitgeteilt, allerdings in sehr höflicher Weise … Aber er soll es bereuen! Ich habe schon einen ausgezeichneten Firmennamen, ›Zu den vier Jahreszeiten‹. In der Nähe der Oper will ich mich niederlassen.«
Sie schaute ihn an, ihre Augen brannten in einem dunklen Feuer.
»Zählen Sie auf mich, ich bin dabei«, flüsterte sie ihm zu.
»Warten Sie einen Augenblick.«
Sie zog den Baron Hartmann in eine Fensternische. Hier empfahl sie ihm Bouthemont als einen gewitzten Jungen, der bald ganz Paris in Aufruhr bringen werde, denn er sei im Begriff, sich selbständig zu machen. Als sie nun aber von einer Unterstützung ihres neuen Schützlings sprach, konnte der Baron, der an sich über nichts mehr erstaunte, doch eine Geste der Verwunderung nicht unterdrücken. Das war das vierte Genie, das sie seiner Fürsorge anvertraute. Er fühlte, daß er lächerlich zu werden begann. Indessen lehnte er nicht rundweg ab. Die Idee, dem »Paradies der Damen« selbst ein Gegengewicht erstehen zu lassen, gefiel ihm sogar; auch in seinem Bankgeschäft war er schon darauf verfallen, sich in dieser Weise selber eine Konkurrenz zu schaffen, um gefährlicheren Widersachern die Lust zu irgendwelchen Versuchen zu nehmen. Er versprach, die Angelegenheit zu erwägen.
»Wir müssen heute abend noch über die Sache reden«, flüsterte Henriette Bouthemont ins Ohr. »Kommen Sie pünktlich um neun Uhr; der Baron ist so gut wie gewonnen.«
Lautes Stimmengewirr erfüllte den geräumigen Salon. Mouret hatte mitten unter den Damen seine gute Laune wiedergefunden. Er verteidigte sich heiter gegen den Vorwurf, sie mit lauter Tand und Flitter zu ruinieren, und wollte mit Zahlen den Nachweis liefern, daß sie bei ihm dreißig Prozent an ihren Einkäufen sparten. Der Baron betrachtete ihn mit einer Art brüderlicher Bewunderung. Er hielt den Zweikampf für entschieden; Henriette war besiegt, sie war also nicht die Frau, die da kommen sollte. Und wieder glaubte er das zarte Gesicht des jungen Mädchens vor sich zu sehen, das er im Vorzimmer bemerkt hatte. Geduldig hatte sie dagestanden, gefährlich in ihrer Sanftmut.
Zwölftes Kapitel
Am 20. September begannen die Arbeiten an der neuen Fassade des »Paradieses der Damen«. Baron Hartmann hatte seinem Versprechen gemäß in der letzten Generalversammlung der Immobilienbank die Sache durchgesetzt. Mouret näherte sich endlich der Verwirklichung seines Traums. Diese Front, die sich längs der Rue du Dix-Décembre erstrecken sollte, würde sein Glück zur vollen Blüte bringen. Daher wollte er auch die Grundsteinlegung feierlich begehen. Er machte ein Fest daraus, verteilte Geschenke an seine Angestellten und bewirtete sie am Abend mit Wildbret und Champagner. Den ganzen Nachmittag über war er sehr heiter und trug eine strahlende Miene zur Schau. Aber als er abends beim Essen durch den Speisesaal ging, um mit seinem Personal ein Glas Champagner zu leeren, war er wieder fieberhaft erregt, sein Lächeln war gezwungen, seine Züge verrieten uneingestandenes Leid.
Am folgenden Tag suchte Ciaire in der Konfektionsabteilung Denise zu ärgern. Sie hatte die hartnäckige Liebe Colombans endlich bemerkt und kam auf den Gedanken, sich über die Baudus lustig zu machen. Mit lauter Stimme rief sie zu Marguerite hinüber:
»Mein Anbeter da drüben dauert mich wahrhaftig in seiner finsteren Bude, wo niemals Kundschaft hinkommt …«
»Der ist gar nicht so unglücklich«, erwiderte Marguerite, »er heiratet doch die
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