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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ihm machen« genannt hatte. In ihrem besonnenen Köpfchen gab es allerlei Pläne; alles, was sie sah, suchte sie zu ordnen, zu verbessern. So sann sie beispielsweise, seitdem sie beim »Paradies der Damen« wieder eingetreten war, über die unsichere Lage der Angestellten nach. Die plötzlichen Entlassungen kränkten sie; sie fand dieses Vorgehen ebenso ungeschickt wie ungerecht, von Nachteil für beide Seiten, für die Angestellten wie für das Geschäft. Noch schmerzten die Wunden ihrer Anfangszeit, und nicht ohne tiefes Mitleid beobachtete sie jede Neue, die das gleiche Elend durchmachte. Dieses Dasein eines geprügelten Hundes verdarb die Besten unter ihnen, alle waren noch vor den Vierzig durch den Beruf aufgebraucht, verschwanden, gingen unter. Viele starben vor der Zeit, andere gerieten auf die Straße, und nur die wenigsten waren so glücklich, sich zu verheiraten und in irgendeinem Provinzladen unterzutauchen. Dieser ungeheure Verschleiß an Menschen, den die großen Warenhäuser von Jahr zu Jahr trieben – war das menschlich, war das gerecht? Doch sie war nicht gefühlsselig in ihren Ansichten, sie kämpfte vielmehr mit sachlichen Argumenten. Wenn man eine zuverlässig funktionierende Maschine haben wolle, erklärte sie, müsse man gutes Material verwenden; andernfalls stehe die Arbeit immer wieder still, und die Kosten würden nur immer höher. Wenn sie so ihrer Phantasie freien Lauf ließ, sah sie im Geist das vollkommene, ungeheure Warenhaus der Zukunft schon vor sich, eine Hochburg des Handels, in der jeder nach seinen Verdiensten seinen Anteil am Gewinn hatte und durch Verträge gesichert war. Solche Pläne erheiterten Mouret, er beschuldigte sie dann wohl, sie sei eine Sozialistin, und brachte sie in Verlegenheit, indem er ihr die Schwierigkeiten der Durchführung erläuterte. Aber obgleich er sie mit ihren Vorstellungen aufzog, verwirklichte er einen Teil ihrer Gedanken. Das Los der Angestellten wurde allmählich besser; an die Stelle der massenhaften Entlassungen trat ein Urlaubssystem, das der toten Zeit angepaßt war; schließlich gründete man Aushilfskassen zur Unterstützung der Angestellten im Falle unverschuldeter Arbeitslosigkeit. Es waren die Anfänge der großen Arbeitervereinigungen des zwanzigsten Jahrhunderts.
    Denise begnügte sich übrigens nicht damit, die Wunden zu heilen, an denen sie selbst einst geblutet hatte; ihr weiblicher Zartsinn gab ihr allerlei Ideen ein, durch deren Ausführung Mouret die Kundschaft entzückte. Den Kassierer Lhomme unterstützte sie in seinem lang gehegten Plan, aus den Angestellten des Hauses eine Musikkapelle zusammenzustellen. Drei Monate später hatte Lhomme hundertzwanzig Musiker unter seiner Leitung, der Traum seines Lebens war verwirklicht. Es wurde ein großes Fest veranstaltet, ein Konzert mit Ball, um dem Publikum die Kapelle des »Paradieses der Damen« vorzuführen. Die Zeitungen beschäftigten sich mit dem Ereignis, und selbst Boudoncle, den alle diese Neuerungen erbitterten, mußte sich vor dieser enormen Reklame beugen. Später wurde ein Spielsaal für die Angestellten eingerichtet, wo sie Billard, Tricktrack und Schach spielen konnten. Endlich wurden Abendkurse in Deutsch und Englisch, in Geographie und in Arithmetik eingeführt. Eine Bibliothek von zehntausend Bänden zum Gebrauch der Angestellten entstand. Ein Arzt im Haus hielt unentgeltlich Sprechstunden ab; es gab Bäder, Erfrischungsräume, einen Frisiersalon. Das ganze Leben spielte sich hier ab, man brauchte nicht mehr aus dem Haus zu gehen, für alles war gesorgt: Bildung, Essen, Unterkunft und Kleidung. Was Arbeit und Vergnügen anbelangte, war inmitten der ungeheuren Stadt Paris das »Paradies der Damen« eine Welt für sich.
    Erneut gab es einen Stimmungsumschwung zugunsten Denises. Da Bourdoncle seinen Getreuen voller Verzweiflung immer wieder beteuerte, daß er viel darum gegeben hätte, wenn er selbst sie Mouret hätte ins Bett legen können, nahm man allgemein davon Kenntnis, daß sie nicht nachgegeben hatte, daß ihre Allmacht eben aus dieser Weigerung entsprang. Von diesem Augenblick an wurde sie beliebt. Da war endlich eine, die dem Chef den Fuß auf den Nacken setzte, die alle anderen rächte und ihm mehr als bloße Versprechungen zu entreißen wußte. Wenn sie jetzt durch die Abteilungen ging mit ihrer sanften, aber unbeugsamen Miene, lächelten die Angestellten ihr zu, sie waren stolz auf sie und hätten sie am liebsten aller Welt gezeigt. Denise fühlte sich

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