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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Strecke bleiben müßten. Nun ließ Denise, der diese Vertraulichkeit Mut gab, durchblicken, daß sie in dem Kampf, der sich zwischen den Warenhäusern und dem Kleinhandel entsponnen habe, auf seiten der Großen stehe. Sie erwärmte sich, führte Beispiele an und zeigte sich vollkommen unterrichtet, ja sie legte neuartige und sehr vernünftige Gedanken an den Tag. Er hörte ihr überrascht zu, war bezaubert und versuchte, im Dunkel des Abends ihre Züge wieder zu erkennen. Sie schien mit ihrem einfachen Kleidchen und ihrem sanften Gesicht noch dieselbe zu sein; aber von dieser Einfachheit und Bescheidenheit ging ein Zauber aus, der ihn mächtig ergriff. Es war offenkundig: diese Kleine hatte sich in eine Pariserin verwandelt, sie war zur Frau erblüht, verständig und verwirrend zugleich.
    »Wenn Sie aber doch eine der Unsrigen sind«, sagte er lachend, »warum bleiben Sie dann bei unseren Feinden? Man hat mir auch erzählt, daß Sie bei Bourras wohnen.«
    »Das ist ein braver, ehrenwerter Mann«, murmelte sie.
    »Lassen Sie’s gut sein, er ist ein alter Narr, der mich zwingt, ihn zu ruinieren, während ich ein Vermögen opfern wollte, um ihn loszuwerden. Vor allem aber gehören Sie da nicht hin, sein Haus hat einen üblen Ruf, er vermietet an Personen …«
    Doch er merkte, daß das junge Mädchen in Verlegenheit geriet, und beeilte sich hinzuzufügen:
    »Man kann natürlich immer anständig bleiben, und das ist um so verdienstvoller, wenn man arm ist.«
    Sie gingen wieder einige Schritte schweigend nebeneinander her. Pépé blickte von Zeit zu Zeit zu seiner Schwester auf, erstaunt, wie glühend heiß ihre Hand war. Mouret fuhr fort:
    »Wollen Sie meine Vermittlerin bei dem Alten sein? Ich hatte ohnehin die Absicht, ihm morgen ein neues Angebot zu machen, diesmal von achtzigtausend Franken … Reden Sie mit ihm, machen Sie ihm klar, daß er Selbstmord begeht. Er wird vielleicht auf Sie hören, da er ja Ihr Freund ist, und Sie werden ihm einen echten Dienst erweisen.«
    »Gut«, erwiderte Denise lächelnd. »Ich werde die Botschaft bestellen, aber ich bezweifle, daß ich Erfolg haben werde.«
    Wieder schwiegen sie. Mouret versuchte, von ihrem Onkel Baudu zu sprechen, aber er unterbrach sich sofort, als er sah, daß das dem jungen Mädchen unangenehm war. Sie schritten nebeneinander dahin und kamen endlich in der Richtung der Rue de Rivoli in eine Allee, wo es noch heller war. Als sie aus dem dunklen Schatten der Bäume hervortraten, war es ihnen, als erwachten sie plötzlich. Er begriff, daß er sie nicht länger zurückhalten konnte.
    »Guten Abend, Fräulein!«
    »Guten Abend, Herr Mouret.«
    Aber er ging nicht. Er hob die Augen und sah vor sich an der Ecke der Rue d’Algers die hell erleuchteten Fenster von Frau Desforges, die ihn erwartete. Dann blickte er wieder auf Denise, die in dem matten Licht der Dämmerung neben ihm ging. Sie war so zart und schmächtig im Vergleich zu Henriette; wie kam es nur, daß sie trotzdem sein Herz höher schlagen ließ? Es war offenbar eine dumme Laune …
    »Der Kleine wird müde«, sagte er, um nur etwas zu sagen.
    »Und vergessen Sie nicht: unser Haus steht Ihnen offen. Sie brauchen nur zu kommen, ich verschaffe Ihnen jede Genugtuung, die Sie wünschen. Guten Abend!«
    »Guten Abend!«
    Als Mouret sie verlassen hatte, kehrte Denise in den dunklen Schatten der Kastanien zurück und eilte lange ziellos zwischen den mächtigen Baumstämmen umher; ihr Gesicht glühte, und der Kopf summte ihr von wirren Gedanken. Sie hatte Pépé ganz vergessen, doch als sie eine Stunde später mit dem Kind die Rue de la Michodière hinaufging, trug ihr Gesicht wieder den Ausdruck innerer Gefaßtheit.
    »Kreuzdonnerwetter!« schrie ihr Bourras schon von weitem entgegen, »diese Kanaille von Mouret hat tatsächlich mein Haus gekauft!«
    Er war außer sich, stand mitten im Laden und fuchtelte so wütend herum, als wollte er alles zertrümmern.
    »Dieser Lumpenkerl! … Der Obsthändler hat es mir geschrieben. Sie glauben gar nicht, was er ihm dafür abgenommen hat: hundertfünfzigtausend Franken, viermal soviel, wie es wert ist! Auch ein richtiger Dieb, dieser Obsthändler! Denken Sie sich, er hat sich auf die Verschönerungen berufen, die ich an dem Haus vorgenommen habe! Werden diese Leute nicht bald aufhören, mit mir ihr Spiel zu treiben?«
    Der Gedanke, daß das Geld, das er auf die Verschönerungen und Ausbesserungen verwendet hatte, nun dem Obsthändler zugute gekommen war, erfüllte ihn mit

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