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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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von einem heißen Fieber verzehrt?
    »Das Geld, das wir für das Landgut bekommen haben«, fuhr Baudu fort, »kann uns vielleicht retten. Unsere Lage wird mit jedem Tag schlimmer, aber wenn wir eine äußerste Anstrengung machen … Wir müssen alles auf eine Karte setzen. Das indessen, mein armer Junge, würde bedeuten, daß eure Heirat wieder einmal verschoben wird, denn ich kann euch doch jetzt nicht allein in den Kampf schicken; das wäre zu feige, nicht wahr?«
    Als Colomban dies hörte, sank er erleichtert auf einen Stoffballen nieder. Seine Beine zitterten, er fürchtete, seine innere Freude merken zu lassen, und blickte darum zu Boden.
    »Du sagst nichts?« fragte Baudu wieder.
    Nein, er sagte nichts, er fand nichts zu sagen. Da fuhr der Tuchhändler leise fort:
    »Ich wußte ja, daß diese Eröffnung ein schwerer Schlag für dich sein würde … Du mußt Mut fassen; sei doch nicht so niedergeschlagen. Versuch doch, meine Lage zu begreifen: kann ich euch einen solchen Stein an den Hals hängen? Anstatt euch ein gutes Geschäft zu übergeben, würde ich euch vielleicht einem Bankrott ausliefern. Nein, so etwas brächte nur ein Schurke fertig. Ich will sicherlich euer Glück, aber nie wird man mich überreden, gegen mein Gewissen zu handeln.«
    In dieser Weise sprach er weiter und verwickelte sich mehr und mehr in Widersprüche. Da er dem Angestellten nun einmal seine Tochter mitsamt dem Laden versprochen hatte, verlangte die Rechtschaffenheit, daß er beides in gutem Zustand übergab. Allein er war müde, die Last wurde ihm zu drückend. Er wartete darauf, daß Colomban sich einen Ruck geben, seinem Herzen folgen würde – aber nichts geschah.
    Da der junge Mann noch immer mit gesenktem Kopf dasaß, fragte er ihn zum drittenmal:
    »Du sagst nichts?«
    Nun endlich murmelte Colomban, ohne ihm ins Gesicht zu schauen:
    »Was gibt es da zu sagen? Sie sind der Chef, Sie sind klüger als wir alle. Da Sie es wünschen, werden wir warten.«
    Baudu hatte gehofft, Colomban werde sich ihm an den Hals werfen und ausrufen: »Vater, setzen Sie sich zur Ruhe, überlassen Sie die Sorgen nur uns! Geben Sie uns den Laden, wie er ist, wir werden es schon schaffen, ihn über Wasser zu halten!« Dann schaute er ihn an und wurde von innerer Scham ergriffen; er klagte sich an, daß er seine Kinder habe überlisten wollen. Die alte kaufmännische Rechtschaffenheit meldete sich wieder zu Wort: Dieser nüchterne Bursche hatte recht, im Handel gab es keine Gefühle, da gab es nur Zahlen.
    »Es bleibt also dabei«, sagte er, um der Sache ein Ende zu machen, »wir werden im nächsten Jahr wieder von der Heirat sprechen.«
    Als Frau Baudu am Abend vor dem Schlafengehen ihren Mann nach dem Ergebnis der Unterredung fragte, hatte Baudu seinen Eigensinn wiedergefunden. Er erging sich in Lobeserhebungen über Colomban: das sei ein guter, aufrechter Bursche, nicht wie die geschniegelten Stutzer da drüben, die den Käuferinnen die Cour machten.
    »Aber was ist’s mit der Heirat?« fragte Frau Baudu.
    »Später«, erwiderte ihr Mann. »Ich will meinen Kindern mein Versprechen halten.«
    Sie schwieg eine Weile, dann sagte sie:
    »Unsere Tochter wird daran zugrunde gehen.«
    Da wurde Baudu zornig. War es denn seine Schuld? Er liebte seine Tochter wahrhaftig, aber er konnte doch nichts dafür, wenn das Geschäft nicht besser ging! Geneviève sollte vernünftig sein und Geduld haben. Alle Wetter, Colomban blieb ja da, niemand wollte ihn ihr stehlen.
    »Es ist unglaublich«, wiederholte er ein über das andere Mal; »ein so wohlerzogenes Mädchen …«
    Frau Baudu sagte nichts mehr. Ohne Zweifel hatte sie die Eifersuchtsqualen ihrer Tochter erraten, aber sie brachte es nicht fertig, mit ihrem Mann darüber zu sprechen. –
    Mittlerweile hatte Denise sich entschlossen, ins »Paradies der Damen« zurückzukehren. Sie hatte begriffen, daß Robineau, obgleich er genötigt war, sein Personal zu verringern, nicht den Mut fand, sie zu entlassen. Um sich über Wasser zu halten, mußten die Eheleute bereits alles selber machen. Gaujean beharrte bei seinem Eigensinn und gab noch länger Kredit, ja er versprach sogar, neue Gelder für sie aufzutreiben. Allein Robineau war vorsichtig und wollte nicht gegen die Gesetze von Sparsamkeit und Ordnung verstoßen. Denise beobachtete seit vierzehn Tagen, daß die Robineaus sich ihr gegenüber immer verlegener benahmen, und so entschloß sie sich, die Sache selber zur Sprache zu bringen. Sie habe anderwärts einen Platz

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