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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Geld verdienen – ich stecke doch lieber in meiner eigenen Haut als in der ihren. Sie haben Glück, das ist wahr; die Frau hat erzählt, wenn ich recht gehört habe, daß sie dieses Jahr zwanzigtausend Franken verdient hat. Mir soll’s recht sein! Mein Landhaus habe ich freilich nicht mehr, aber wenigstens gehe ich nicht allein meiner Wege und halte mich an die Musik, während du sonstwo herumbummelst. Nein, die können nicht glücklich sein.«
    Er nahm sich indessen die Sache doch sehr zu Herzen und grollte diesen Leuten, die ihm seinen Lebenstraum abgekauft hatten. Schweigend trat er ans Fenster und lauschte dem Getöse, das von drüben herüberklang. Und wieder erging er sich in seinen Klagen und Beschwerden über die neuen Zeiten. So etwas hatte es doch noch nicht gegeben: verdienten die Angestellten jetzt mehr als die Kaufleute! Ein Kassierer, der den Besitz eines selbständigen Geschäftsmannes erwarb! Alles ging aus den Fugen, es gab keinen Familienzusammenhalt mehr, man spazierte ins Restaurant, anstatt seine Suppe am eigenen Herd zu essen. Zu guter Letzt verlegte er sich aufs Prophezeien und sagte voraus, der junge Albert werde eines Tages das Landgut in Rambouillet noch mit irgendwelchen Frauenzimmern vergeuden.
    Frau Baudu lag regungslos in ihrem Bett und hörte zu. Ihr Gesicht war so bleich wie die Kissen.
    »Sie haben immerhin bezahlt«, sagte sie endlich.
    Baudu verstummte bei diesen Worten. Eine Weile ging er mit gesenkten Blicken umher, dann fuhr er fort:
    »Ja, sie haben bezahlt, das ist wahr, und schließlich ist ihr Geld so gut wie das anderer Leute … Es wäre nicht schlecht, wenn es uns gelänge, mit diesem Geld unsere Firma wieder aufzurichten. Ach, wenn ich nicht so alt und müde wäre!«
    Neues Stillschweigen. Plötzlich begann Frau Baudu zu sprechen, den Blick starr zur Decke gerichtet.
    »Hast du seit einiger Zeit deine Tochter beobachtet?«
    »Nein«, erwiderte er.
    »Nun, sie macht mir Sorge. Sie wird immer blasser, eine innere Verzweiflung scheint an ihr zu zehren.«
    Er blieb überrascht vor dem Bett stehen.
    »Worüber denn?« fragte er. »Wenn sie krank ist, sollte sie es sagen! Morgen will ich den Arzt kommen lassen.«
    Frau Baudu lag noch immer unbeweglich da. Nach einer kurzen Weile fuhr sie fort:
    »Ich denke, es wäre besser, die Heirat mit Colomban nicht länger hinauszuschieben.«
    Er schaute sie an, dann nahm er seine Wanderung durch das Zimmer wieder auf. War es möglich, daß seine Tochter wegen des Angestellten krank wurde? Liebte sie ihn dermaßen, daß sie nicht mehr warten konnte? Der Gedanke machte ihn um so bestürzter, als er von dieser Heirat eine ganz feste Vorstellung hatte: unter den gegenwärtigen Umständen hätte er nie seine Einwilligung gegeben. Die Besorgnis um seine Tochter stimmte ihn indes milder.
    »Es ist gut«, sagte er endlich, »ich werde mit Colomban sprechen.«
    Am folgenden Morgen nahm Baudu Colomban beiseite. Er hatte sich genau zurechtgelegt, was er ihm sagen wollte. Mit verlegener Miene harrte der junge Mann, der diese Unterredung zu fürchten schien, der Dinge, die da kommen sollten. »Hör mich an«, begann der Tuchhändler. »Als Vater Hauchecorne mir den ›Vieil Elbeuf‹ übergab, ging das Geschäft gut. Er selbst hatte es vom alten Finet in bestem Zustand übernommen. Du kennst meine Einstellung: ich würde mir vorkommen, als beginge ich eine Gemeinheit, wenn ich das Geschäft meinen Kindern in einem unrentableren Zustand übergeben wollte; aus diesem Grund habe ich bisher deine Heirat mit Geneviève verschoben. Ja, ich habe eigensinnig gehofft, den früheren Wohlstand wieder zu erreichen. Ich hoffte, dir die Bücher vorlegen und sagen zu können: Schau, in dem Jahr, als ich eintrat, wurde soundso viel verkauft, und in diesem Jahr, wo ich euch das Geschäft übergebe, war der Umsatz um zehntausend oder zwanzigtausend Franken höher. Das war so eine Art Gelöbnis vor mir selbst, ich wollte mir nicht vorwerfen müssen, ich hätte euch bestohlen.«
    Eine tiefe innere Bewegung raubte ihm die Stimme. Er räusperte sich, um die Fassung wiederzugewinnen, dann fragte er:
    »Du sagst nichts?«
    Allein Colomban hatte nichts zu sagen. Er schüttelte den Kopf und wartete immer verlegener, denn er glaubte zu erraten, worauf Baudu hinauswollte. Offenbar wollte er, daß binnen kurzem geheiratet würde. Wie sollte er sich dem widersetzen? Niemals würde er dazu die Kraft finden. Und was war dann mit jener anderen, von der er Nacht für Nacht träumte,

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