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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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das »Paradies der Damen« schnürte ihm fast die Kehle zu.
    »Sie müssen mich schon etwas besser behandeln«, sagte Frau Bourdelais schließlich, »sonst gehe ich auch hinüber wie die andern.«
    Als Baudu dies hörte, verlor er den Kopf, und seine Wut machte sich in dem Aufschrei Luft:
    »Nun, so gehen Sie doch!«
    Sie erhob sich tief verletzt und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Nun herrschte allgemeine Bestürzung; selbst Baudu war betroffen von dem, was er da eben gesagt hatte. Der Satz war ihm unwillkürlich entschlüpft, in einem Ausbruch seines lang unterdrückten Zorns. Stumm, mit hängenden Armen, sahen sie nun alle Frau Bourdelais nach, wie sie über die Straße ging. Es war ihnen, als nehme sie ihr aller Glück mit. Als sie beim »Paradies der Damen« eintrat und sich in der Menge verlor, murmelte der Tuchhändler:
    »Noch eine, die sie uns genommen haben!«
    Dann wandte er sich zu Denise. Er wußte, daß sie wieder drüben eintreten sollte, und sagte:
    »Dich haben sie sich auch zurückgeholt. Geh nur, ich bin dir nicht böse. Sie haben das nötige Geld, also sind sie die Stärkeren.«
    Eben hatte Denise in der Hoffnung, Geneviève könnte Colomban nicht gehört haben, ihrer Kusine zugeflüstert:
    »So freuen Sie sich doch, er liebt Sie ja!«
    Aber das Mädchen erwiderte leise im Ton tiefsten Schmerzes:
    »Warum lügen Sie mich an? Sehen Sie selbst, er schaut ja fortwährend hinauf! Ich weiß, daß sie ihn mir gestohlen haben, wie sie uns alles stehlen.«
    Und sie setzte sich neben ihre Mutter auf das Bänkchen hinter der Kasse.
    Frau Baudu hatte ohne Zweifel erraten, welchen Schlag ihre Tochter erhalten hatte, denn ihre Blicke gingen zwischen Colomban und dem »Paradies der Damen« hin und her. Ja, wirklich, sie stahlen ihnen alles: dem Vater das Vermögen, der Mutter ihr Kind, der Tochter den Verlobten, auf den sie zehn Jahre gewartet hatte.
    Beim Anblick dieser Familie, die so sichtlich dem Untergang entgegenging, packte Denise das Mitleid, und sie kam sich einen Moment sehr schlecht vor. War sie nicht auch wieder im Begriff, mit Hand an die Maschine zu legen, die diese armen Leute vernichtete? Allein sie fühlte sich wie von einer unwiderstehlichen Macht fortgerissen, sie wußte, daß sie nichts Böses tat.
    »Ach was«, rief Baudu, um sich selber Mut zu machen, »eine Kundin geht, und zwei andere kommen. Gib nur acht, Denise, ich habe hier siebzigtausend Franken, die deinem Herrn Mouret noch manche schlaflose Nacht bereiten sollen. Und ihr, Kinder, seid vergnügt, macht bloß nicht solche Leichenbittermienen!«
    Es wollte ihm indessen nicht gelingen, die Seinen aufzuheitern, und so verfiel auch er wieder in seinen stillen Kummer. Gemeinsam starrten sie auf das Ungeheuer da drüben. Eben hielten vor dem Warenabgang acht Wagen, die eilends von den Laufburschen vollgeladen wurden. Die grünen Felder der Wagen mit ihren gelben und roten Einfassungen glänzten im hellen Sonnenschein wie Spiegel und warfen ihren blendenden Widerschein bis herüber in die Tiefe des »Vieil Elbeuf«. Schwarz livrierte Kutscher hielten straff die Zügel ihrer prächtigen Pferde, die ungeduldig mit den Hufen scharrten und an ihrem blankgeputzten Zaumzeug kauten. Sooft einer der Wagen beladen war, entfernte er sich mit einem hellen Rollen, unter dem all die benachbarten kleinen Läden zu erzittern schienen. Zweimal täglich mußten die Baudus sich das ansehen, und dieser Triumphzug brach ihnen das Herz.
     

Neuntes Kapitel
    Am 14. März, einem Montag, wurden im »Paradies der Damen« die neuen Geschäftsräume durch eine große Ausstellung von Sommermodeartikeln eingeweiht, die drei Tage dauern sollte. Draußen ging ein frischer Wind, und die Leute, überrascht von dieser plötzlichen Wiederkehr des Winters, hüllten sich enger in ihre Mäntel und gingen rasch vorüber. Hinter den geschlossenen Türen der benachbarten Läden herrschte große Aufregung, man konnte hinter den Fensterscheiben die verbitterten Gesichter sehen, mit denen die Kaufleute die ersten Wagen zählten, die vor dem neuen Eingang in der Rue Neuve- Saint-Augustin vorfuhren. Mit Ausnahme der Seite nach der Rue du Dix-Décembre, wo die Immobilienbank bauen wollte, nahm der Koloß jetzt den ganzen Häuserblock ein. Man hatte die Höfe mit Glas überdacht und in Hallen verwandelt. Der Architekt, ein kluger junger Mann, besessen vom Geist der Zeit und allem Neuen zugetan, hatte großzügig Raum geschaffen, Luft und Licht hatten ungehinderten Zutritt. Es

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