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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Schweigen, zog ihn in einen Winkel und sagte leise:
    »Mit Ihnen habe ich zu reden. Haben Sie denn kein Herz? Sehen Sie nicht, daß Geneviève Sie liebt und darüber zugrunde geht?« Sie bebte am ganzen Körper, die fieberhafte Erregung vom Abend vorher hatte sie wieder ergriffen. Er stand betroffen da, völlig überrascht von diesem Angriff; er schaute sie an, ohne ein Wort herauszubringen.
    »Hören Sie«, fuhr sie fort, »Geneviève weiß, daß Sie eine andere lieben. Sie hat es mir gesagt und dabei herzzerbrechend geweint, die Ärmste … Sie können sie doch nicht so umkommen lassen!«
    Endlich sagte er ganz verstört:
    »Aber sie ist ja gar nicht krank; Sie übertreiben … Außerdem verschiebt ihr Vater die Hochzeit immer wieder …«
    Denise trat dieser Ausflucht schroff entgegen. Sie fühlte, daß das leiseste Drängen von Seiten des jungen Mannes den Onkel bestimmt hätte, nachzugeben.
    Die Überraschung Colombans war übrigens keineswegs erheuchelt: er hatte in der Tat von Genevièves langsamem Hinsiechen nichts bemerkt. Es war für ihn eine unangenehme Entdeckung; solange er nichts gewußt hatte, brauchte er sich keine Gewissensbisse zu machen.
    »Und um wen das alles?« fuhr Denise fort. »Um eine liederliche Person! Sie wissen gar nicht, wen Sie da lieben. Ich wollte Sie bisher nicht kränken und habe es vermieden, auf Ihre fortwährenden Fragen zu antworten … Ja, sie geht mit aller Welt und macht sich nur lustig über Sie; Sie werden sie niemals bekommen oder höchstens genau wie alle anderen, einmal so im Vorübergehen …«
    Er verfärbte sich, hörte sie aber wortlos an. Von einer gewissen Grausamkeit fortgerissen, rief sie schließlich aus:
    »Und wenn Sie noch mehr wissen wollen, so sage ich Ihnen zum Schluß, daß sie es mit ihrem Chef hält, mit Herrn Mouret.«
    Die Stimme versagte ihr, und sie wurde noch blasser als er. Stumm betrachteten sie einander. Endlich stammelte er:
    »Ich liebe sie aber!«
    Da schämte sich Denise. Warum sprach sie so mit diesem jungen Mann und weshalb ereiferte sie sich dermaßen? Sie stand schweigend da, das eine Wort, das er ihr soeben erwidert hatte, klang in ihrem Herzen nach. »Ich liebe sie, ich liebe sie …« Er hatte recht: wenn er sie liebte, dann konnte er keine andere heiraten.
    Als sie sich umwandte, bemerkte sie Geneviève auf der Schwelle des Speisezimmers.
    »Schweigen Sie!« flüsterte sie ihm rasch zu.
    Doch es war zu spät; Geneviève mußte alles gehört haben. Sie war leichenblaß.
    Im gleichen Augenblick betrat eine Kundin den Laden. Es war Frau Bourdelais, eine der letzten Getreuen des »Vieil Elbeuf«, wo sie noch besonders strapazierfähige Stoffe bekam. Frau von Boves war längst der Mode gefolgt und zum »Paradies der Damen« übergegangen, und auch Frau Marty kam nicht mehr, völlig verführt durch die Auslagen da drüben.
    Geneviève mußte der Kundin entgegengehen und fragte mit tonloser Stimme:
    »Sie wünschen, gnädige Frau?«
    Frau Bourdelais verlangte Flanell zu sehen. Colomban holte ein Stück herunter, und Geneviève zeigte den Stoff; so standen beide, kalt und steif, nebeneinander hinter dem Ladentisch. Mittlerweile kam auch Baudu aus dem Speisezimmer, gefolgt von seiner Frau, die auf dem Bänkchen hinter der Kasse Platz nahm. Er mischte sich anfangs in den Kauf nicht ein. Nachdem er Denise einen Gruß zugelächelt hatte, trat er beiseite und betrachtete Frau Bourdelais.
    »Besonders schön ist er nicht«, sagte diese. »Zeigen Sie mir den stärksten Flanell, den Sie haben.«
    Colomban holte ein anderes Stück hervor. Frau Bourdelais prüfte den Stoff genau und fragte dann:
    »Was kostet der Meter?«
    »Sechs Franken, gnädige Frau«, erwiderte Geneviève.
    »Sechs Franken? Da drüben ist ganz der gleiche für fünf Franken zu haben!«
    Ein Schatten des Unmuts flog über Baudus Gesicht. Er konnte nicht mehr umhin, sich höflich einzumischen. Gnädige Frau müßten sich täuschen, meinte er; dieser Stoff sollte eigentlich sechs Franken fünfzig kosten; ihn für fünf Franken abzugeben sei völlig unmöglich. Sicherlich handle es sich da um eine andere Sorte.
    »Nein, nein!« beharrte sie mit dem Eigensinn der Bürgersfrau, die nicht zugeben will, daß sie sich geirrt haben könnte. »Es ist der gleiche Stoff, vielleicht sogar noch etwas stärker als dieser.«
    Die Auseinandersetzung wurde erregter, Baudu unterdrückte nur mehr mühsam den Ärger, der bereits in seinem galligen Gesicht aufzusteigen begann. Die Erbitterung gegen

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