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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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bewirkt; und schon entstand ein Geflüster, man blickte ihr nach, wo immer sie ging. Angesichts dieser allgemeinen Liebenswürdigkeit war sie nur etwas verletzt durch die seltsame Niedergeschlagenheit, die Deloche zur Schau trug, und durch das rätselhafte Lächeln Paulines.
    Mouret blickte sie noch immer mit seiner entzückten Miene an.
    »Was suchen Sie, Fräulein?« fragte er sie endlich.
    Denise, die seine Anwesenheit noch gar nicht bemerkt hatte, errötete leicht. Seit sie zurückgekehrt war, begegnete er ihr mit einer Güte, die sie rührte. Pauline hatte ihr — sie wußte nicht, weshalb — die Liebschaft des Chefs mit Claire in allen Einzelheiten erzählt, wo er mit ihr zusammenkam, wieviel er ihr bezahlte und so weiter. Sie kam oft auf dieses Thema zu sprechen und berichtete ihr auch, daß er noch eine andere Geliebte habe, diese Frau Desforges, die das ganze Geschäft kenne. Solche Geschichten verwirrten Denise, sie wurde in seiner Gegenwart wieder von ihrer früheren Beklemmung erfaßt, von einem Unbehagen, in dem Dankbarkeit und Groll gegeneinander kämpften.
    »Hier ist ja alles verändert«, erwiderte sie schließlich.
    Mouret trat näher zu ihr heran und flüsterte ihr zu:
    »Heute abend nach Geschäftsschluß kommen Sie in mein Arbeitszimmer, ich habe mit Ihnen zu reden.«
    Sie neigte verlegen den Kopf und wußte nicht, was sie sagen sollte. Dann ging sie in ihre Abteilung, wo auch die anderen Verkäuferinnen sich schon einfanden. Bourdoncle aber hatte Mouret verstanden und schaute ihn lächelnd an. Als sie allein waren, wagte er die Bemerkung:
    »Jetzt die auch noch? Nehmen Sie sich in acht! Mit der wird es Ernst!«
    Mouret wehrte lebhaft ab und suchte seine Erregung unter einer sorglosen Miene zu verbergen.
    »Lassen Sie’s gut sein, das ist doch alles nur Scherz! Die Frau, die mich dauernd fesseln könnte, ist noch nicht geboren.«
    Bourdoncle schüttelte den Kopf. Diese Denise, so sanft und einfach sie war, begann ihm Sorge zu machen. Einmal hatte er gesiegt, indem er sie plötzlich vor die Tür setzte. Aber sie war wiedererschienen, und er sah sie in ihrer Stellung dermaßen gefestigt, daß er sie als eine ernste Gegnerin betrachtete.
    Endlich wurde geöffnet, und der Strom der Kunden setzte ein. Gleich in der ersten Stunde, noch ehe die dahinterliegenden Geschäftsräume sich gefüllt hatten, enstand unter dem Eingang ein solches Gedränge, daß die Polizei einschreiten mußte, um den Bürgersteig für den Verkehr freizuhalten. Mouret hatte richtig gerechnet: eine geballte Masse von Köchinnen, Haushälterinnen und kleinen Bürgersfrauen stürzte sich auf diese billigen Artikel, man stieß und drängte sich, ein dichter Menschenknäuel balgte sich um die Waren.
    Den ganzen Vormittag dauerte dieses Getriebe an. Gegen ein Uhr mußten die Käufer sich schon anstellen. Die Straße war von Menschen versperrt wie bei einem Volksaufstand.
    Frau von Boves und ihre Tochter Blanche warteten auf dem Bürgersteig gegenüber, als sie auf Frau Marty stießen, die gleichfalls von ihrer Tochter Valentine begleitet war.
    »Ist das ein Gedränge!« sagte Frau von Boves. »Die Leute bringen einander ja um. Ich wollte eigentlich gar nicht kommen, ich lag zu Bett, aber ich bin dann doch aufgestanden, um etwas frische Luft zu schöpfen.«
    »Genau wie ich«, erklärte die andere. »Ich habe meinem Mann versprochen, seine Schwester am Montmartre zu besuchen. Im Vorübergehen ist mir eingefallen, daß ich ein Paar Schnürbänder benötige. Schließlich kann ich sie ebenso gut hier kaufen wie woanders. Ich gedenke keinen Sou mehr auszugeben, ich brauche ja auch nichts.«
    Indessen ließ sie kein Auge vom Eingang. Unwillkürlich hatte der Sog sie bereits erfaßt.
    »Halt dich an meinem Kleid fest, Valentine«, sagte Frau Marty.
    »Ach, mein Gott, so etwas habe ich noch nicht gesehen; man wird ja davongetragen! Wie wird es erst da drinnen aussehen?«
    Einmal von dem Strom fortgerissen, konnten die Damen nicht mehr zurück. Sie kamen nur sehr langsam vorwärts und waren dermaßen eingepfercht, daß ihnen fast der Atem verging, was ihre Neugier noch erhöhte.
    »Ich fürchte, mein Rock überlebt das nicht«, sagte Frau von Boves.
    Frau Marty erhob sich auf die Fußspitzen, um über die Köpfe der anderen hinwegsehen zu können. Die Pupillen ihrer großen Augen waren zusammengezogen wie die einer Katze, die aus dem hellen Sonnenlicht in einen finsteren Raum kommt. Sie schien nichts unterscheiden zu können, ihr Blick war

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