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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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war eine Kathedrale des neuzeitlichen Handels, kraftvoll und beschwingt zugleich, gerüstet zur Aufnahme eines ganzen Volkes von Kunden. Neununddreißig Abteilungen und achtzehnhundert Angestellte, darunter zweihundert Frauen, zählte das Haus jetzt. Es war eine ganze Welt für sich unter diesen weiten, hallenden Gewölben.
    Schon um sechs Uhr war Mouret zur Stelle, um seine letzten Anordnungen zu treffen. Ihn beherrschte nur der eine Gedanke: sich die Frauen zu unterwerfen, sie durch galante Aufmerksamkeiten zu betäuben, ihre Begierden aufzustacheln und sie dann auszubeuten. Tag und Nacht sann er über neue Pläne und Erfindungen nach. Um den Damen die Mühe des Treppensteigens zu ersparen, hatte er zwei mit Samt ausgeschlagene Aufzüge einrichten lassen. Dann hatte er ein Büfett eröffnet, wo man Erfrischungen umsonst verabreichte, ferner einen Lesesaal, eine riesige Galerie, mit allem Aufwand möbliert. Da er aber auch die weniger gefallsüchtigen Frauen umgarnen wollte, kam er auf den Gedanken, die Mutter auf dem Weg über das Kind zu gewinnen. Er schuf eigene Abteilungen für Knaben und Mädchen, hielt die Mütter im Vorübergehen an, indem er den Kleinen Bilder und Ballons überreichen ließ, rote Luftballons, auf denen der Name seines Geschäftes zu lesen stand und die bald in allen Straßen für ihn Reklame machten.
    Seine entschiedene Stärke war die Art, wie er die Öffentlichkeit bearbeitete. Er gab jährlich dreihunderttausend Franken für Kataloge, Inserate und Plakate aus. Allein jetzt vor der großen Schau der Sommerartikel hatte er zweihunderttausend Kataloge verschickt, darunter fünfzigtausend in den verschiedensten Sprachen ins Ausland. Das »Paradies der Damen« sprang der ganzen Welt in die Augen, empfahl sich in allen Zeitungen, an allen Mauern. Mouret handelte nach der Erkenntnis, daß Reklame alles sei, daß das Publikum widerstandslos der Lärmtrommel folge.
    Er ging noch weiter. Er hatte die Erfahrung gemacht, daß Frauen der Versuchung, billig zu kaufen, nicht widerstehen können, daß sie auch Dinge erstehen, die sie überhaupt nicht brauchen, wenn sie nur ein gutes Geschäft zu machen glauben. Auf dieser Wahrnehmung baute er sein System der herabgesetzten Preise auf; er ging bei schwer verkäuflichen Artikeln immer weiter herunter, denn er wollte lieber mit Verlust verkaufen als gar nicht, getreu seinem Grundsatz, daß das Kapital so schnell wie möglich umgeschlagen werden müsse. Schließlich kam er gar noch auf den Einfall einer »Rücknahmegarantie«, ein Meisterstück der Verführungskunst. »Nehmen Sie nur«, pflegte er zu sagen; »Sie geben uns die Ware zurück, wenn Sie Ihnen nachher nicht gefällt.« Und die Kundin, die allen anderen Lockmitteln zu widerstehen wußte, fand hierin zu guter Letzt eine Entschuldigung, sie durfte sich nun jede Torheit gestatten. Als unerreichbarer Meister zeigte sich Mouret auch in der inneren Organisation des Hauses. Es galt bei ihm als Gesetz, daß nicht ein Winkelchen im »Paradies der Damen« leerbleiben dürfe. Er wollte überall Geräusch, Bewegung, Leben sehen; »denn Leben«, sagte er, »zieht neues Leben an«. Vor allem mußte es gleich am Eingang ein Gedränge geben; die Leute auf der Straße mußten glauben, daß drinnen der reinste Aufruhr herrsche. Diese Wirkung erzielte er dadurch, daß er unter der Tür ganze Kisten und Körbe voll billiger Ramschartikel aufhäufen ließ; so wurde die Menge angelockt, sie versperrte den Zugang, und man glaubte, die Räume seien zum Brechen voll, während Sie in Wirklichkeit oft halbleer waren. Abteilungen, die im Augenblick kein Geschäft versprachen, wie Schals im Sommer und leichte Baumwollstoffe im Winter, wußte er mit naturgemäß stärker besuchten zu umgeben und im Getümmel verschwinden zu lassen. Er war es auch, der auf den Gedanken gekommen war, die Abteilungen für Teppiche und Möbel in den zweiten Stock zu verlegen; sie zogen weniger Kunden an und hätten im Erdgeschoß ein leeres, kaltes Loch dargestellt. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte er bestimmt die Straße mitten durch sein Warenhaus geführt.
    Am Samstagabend, als Mouret einen letzten Blick auf die Vorbereitungen zu dem großen Sonderverkauf geworfen hatte, der am Montag beginnen sollte und zu dem man sich schon seit einem Monat rüstete, war ihm plötzlich die Erkenntnis gekommen, daß die von ihm getroffene Anordnung der Abteilungen nichts tauge. Zwar war sie durchaus folgerichtig: auf einer Seite die Stoffe, auf der

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