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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ändern Seite die Konfektionsartikel, eine vernünftige Einteilung, die es den Kunden ermöglichte, alles, was sie brauchten, selber zu finden. Früher, in dem engen Laden von Frau Hédouin, hatte er immer von einer solchen Ordnung geträumt; doch jetzt, da er diesen Traum verwirklicht sah, war er davon nicht befriedigt. Ganz plötzlich entschloß er sich, alles wieder über den Haufen zu werfen. Man hatte nur mehr achtundvierzig Stunden Zeit, und es handelte sich darum, mit ganzen Abteilungen zu übersiedeln. Das bestürzte, gehetzte Personal verbrachte zwei Nächte und den Sonntag in einem furchtbaren Durcheinander. Selbst am Montagmorgen, eine Stunde vor der Eröffnung, waren manche Waren noch nicht an Ort und Stelle. Der Chef war offenbar verrückt geworden, niemand kannte sich mehr aus, die Verblüffung war allgemein.
    »Vorwärts! Beeilt euch!« rief Mouret mit seiner gewohnten ruhigen Sicherheit. »Da sind noch Kostüme, die müssen nach oben. Ist die japanische Abteilung auf dem mittleren Treppenabsatz schon fertig? Greift zu, Kinder! Ihr sollt sehen:
das
gibt einen Verkauf!«
    Auch Bourdoncle war seit Tagesanbruch zur Stelle. Er begriff das alles so wenig wie die übrigen, und seine Blicke folgten besorgt dem Tun und Treiben des Chefs. Er wagte nicht, ihn zu fragen, denn er wußte genau, wie das in solchen kritischen Momenten von Mouret aufgenommen wurde. Endlich aber entschloß er sich doch und meinte vorsichtig:
    »War es wirklich notwendig, knapp vor Verkaufsbeginn alles noch einmal durcheinanderzuwerfen?«
    Zuerst zuckte Mouret die Achseln, ohne zu antworten. Als indessen Bourdoncle bei seiner Frage beharrte, brach er los:
    »Wäre es Ihnen lieber, daß die Kunden sich alle auf einem Fleck drängen? Das war der reinste Schulmeistereinfall. Ich hätte es mir niemals verziehen, wenn ich dabei geblieben wäre! Begreifen Sie nicht? Da kommt eine Frau herein, geht zielsicher dorthin, wohin sie will, von der Wäsche zu den Kleidern, von den Kleidern zu den Mänteln und schließlich wieder hinaus, ohne sich auch nur ein bißchen zu verirren. Nicht eine einzige hätte unsere Räume vollständig gesehen!«
    »Aber«, bemerkte Bourdoncle weiter, »jetzt, wo Sie alles durcheinandergeworfen haben, werden die Angestellten sich die Beine müde laufen, um die Damen von Abteilung zu Abteilung zu führen.«
    »Was kümmert mich das!« rief Mouret. »Sie sind jung, es wird ihnen bestimmt nichts schaden. Außerdem sieht’s dann nach um so mehr aus. Hauptsache, es gibt ein Gedränge – dann geht alles gut!«
    Er lachte zuversichtlich und ließ sich herbei, dem andern mit gedämpfter Stimme seine Gedanken zu entwickeln.
    »Überlegen Sie nur, das Ergebnis liegt doch auf der Hand: Erstens wird dieses fortwährende Kommen und Gehen die Kunden nach allen Winkeln der Geschäftsräume führen, es wird scheinbar ihre Anzahl verdoppeln und verdreifachen, und sie werden dabei den Kopf verlieren. Zweitens wird ihnen das Haus viel größer erscheinen, als es ist, wenn man sie vom einen Ende des Geschäfts zum andern wird führen müssen, damit sie erst einen Kleiderstoff, dann das Futter und schließlich die Zutaten bekommen. Drittens sind sie auf diese Weise genötigt, durch Abteilungen zu gehen, in die sie sonst keinen Fuß gesetzt hätten; im Vorübergehen werden Versuchungen sie festhalten, sie werden unterliegen. Viertens …«
    Jetzt lachte auch Bourdoncle. Mouret war entzückt und unterbrach sich, um einigen Laufburschen zuzurufen:
    »Sehr gut so! Nun rasch noch auskehren, und alles steht im schönsten Glanze da!«
    Als er sich umwandte, erblickte er Denise. Er und Bourdoncle befanden sich eben vor der Konfektionsabteilung, die Mouret hatte teilen lassen; Kleider und Kostüme waren nun im zweiten Stock am andern Ende des Geschäfts untergebracht. Denise, die als erste heruntergekommen war, machte große Augen. Sie kannte sich nicht mehr aus.
    »Wie?« sagte sie, »hier ist großer Umzug?«
    Ihre Verwunderung schien Mouret, der solche Überraschungen liebte, Spaß zu machen. In den ersten Tagen des Februar war Denise beim »Paradies der Damen« wieder eingetreten, wo sie zu ihrem freudigen Erstaunen fand, daß das Personal sich höflich, fast achtungsvoll benahm. Besonders Frau Aurélie zeigte sich wohlwollend ihr gegenüber; Marguerite und Claire schienen entwaffnet, selbst Vater Jouve benahm sich sehr ergeben und tat alles, um das unangenehme Abenteuer von einst vergessen zu machen. Ein Wort von Mouret hatte all dies

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