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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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sanft in die Brüste biß. »Sag bloß, daß du in diesem Augenblick keine Lust empfindest.«
    Doch in Arequipa, während des Bürgerkriegs zwischen den Anhängern Orbegosos und den Gefolgsleuten Gamarras, den sie 1834 in den ersten Monaten erlebte, vermochte Flora zum ersten und einzigen Mal in ihrem Leben für die Marketenderinnen, die im Grunde so etwas wie Dirnen waren, Respekt und Bewunderung zu empfinden. Und darüber schriebst du in den Fahrten einer Paria , in der glühenden Lobrede, die du auf sie hieltest.
    Was für eine Reise ins Land deines Vaters, Andalusierin! Sogar eine Revolution und einen Bürgerkrieg durftest du erleben, ja in gewisser Weise sogar Partei ergreifen in dem Konflikt. Du konntest dich kaum an die Ursachen und Umstände erinnern; sie waren letztlich bloße Vorwände für die zügellosen Machtgelüste, die Krankheit, unter der all diese großen und kleinen Generäle litten, die sich seit der Unabhängigkeit mit legalen Mitteln oder öfter mit Gewehren und Kanonen um die Präsidentschaft stritten. In diesem Fall begann die Revolution, als der Nationalkonvent in Lima zum Nachfolger von Präsident Agustín Gamarra, dessen Amtszeit zu Ende ging, den Großmarschall Don Luis José de Orbegoso wählte statt General Pedro Bermúdez, den Protegé Gamarras und vor allem von dessen Frau, Doña Francisca Zubiaga de Gamarra, genannt die Marschallin, eine Gestalt, deren Aureole von Abenteuer und Legende dich fesselte, seit du zum ersten Mal von ihr gehört hattest. Doña Pancha, die Marschallin, hatte in Uniform und zu Pferde an der Seite ihres Mannes gekämpft und gemeinsam mit ihm regiert. Als Gamarra diePräsidentschaft innehatte, besaß sie ebensoviel Autorität in Regierungsangelegenheiten wie er oder sogar mehr und zögerte nicht, die Pistole zu ziehen, um sich durchzusetzen, und die Peitsche zu benutzen oder jemanden zu ohrfeigen, der ihr nicht gehorchte oder den Respekt versagte, wie es der kämpferischste Mann getan hätte.
    Als der Nationalkonvent Orbegoso statt Bermúdez wählte, putschte die Garnison von Lima, angestiftet von Gamarra und der Marschallin, am 3. Januar 1834. Doch der Putsch war nur teilweise erfolgreich, weil es Orbegoso gelang, mit einem Teil des Heeres Lima zu verlassen, um den Widerstand zu organisieren. Das Land teilte sich in zwei Lager, je nachdem, ob die Garnisonen sich für Orbegoso oder für Bermúdez aussprachen. Cusco und Puno, mit General San Román an der Spitze, ergriffen Partei für den Putsch, das heißt für Bermúdez, das heißt für Gamarra und die Marschallin. Arequipa dagegen entschied sich für Orbegoso, den rechtmäßigen Präsidenten, und schickte sich unter dem militärischen Befehl von General Nieto an, dem Angriff der Aufständischen Widerstand zu leisten.
    Lustige Tage, nicht wahr, Florita? Sie tauchte erregt in die Ereignisse ein und fühlte sich nie in Gefahr, nicht einmal während der Schlacht von Cangallo, die drei Monate nach Beginn des Bürgerkriegs über das Schicksal Arequipas entschied. Eine Schlacht, die Flora wie eine Opernvorstellung durch ein Fernglas verfolgte, von der Dachterrasse ihres Onkels Pío aus, während er und ihre Verwandten und die gesamte Gesellschaft Arequipas sich in den Klöstern, Konventen und Kirchen drängten, aus Furcht weniger vor den Kugeln als vor der Plünderung der Stadt, die unweigerlich auf die kriegerischen Auseinandersetzungen folgen würde, wer immer der Sieger wäre.
    Zu diesem Zeitpunkt hatten Flora und Don Pío wie durch ein Wunder Frieden geschlossen. Nachdem seine Nichte akzeptiert hatte, daß sie gegen ihren Onkel nicht gesetzlich vorgehen konnte, versuchte dieser aus Furcht vor dem Skandal, mit dem sie ihn am Tag ihrer Auseinandersetzungbedroht hatte, Flora zu besänftigen, und schickte seine Frau, seine Kinder, seine Nichten und vor allem Oberst Althaus vor, damit sie Flora von ihrem Vorhaben abbrachten, das Haus der Familie Tristán zu verlassen. Sie solle dort bleiben, wo sie immer als liebe Nichte Don Píos behandelt werden würde, wo ihr die Fürsorge und Zuneigung der Verwandtschaft sicher seien. Nie sollte es ihr an etwas fehlen, alle wären ihr in Liebe zugetan. Flora – was blieb dir anderes übrig – willigte ein.
    Du bereutest es natürlich nicht. Es wäre schade gewesen, sich diese drei Monate brodelnder Unruhe, Wirren, Erschütterungen, diese Zeit unbeschreiblichen sozialen Aufruhrs entgehen zu lassen, in dem Arequipa seit Ausbruch der Revolution bis zur Schlacht von Cangallo

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